Cappuccino fatale
Schlag getroffen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Stefano schlägt sich die Hand vor den
Kopf. »Die ganze Frau ist ja von Natur aus schmutzabweisend. Die weiß bestimmt
gar nicht, wie so was geht.«
»Na ja, es ist bestimmt nicht so, dass ich immer wie ein Schmuddelkind
in der Agentur aufschlage.« Jetzt bin ich beleidigt.
»Nein, so war das nicht gemeint«, beeilt sich Stefano zu beschwichtigen.
»Ich wollte nur sagen … Ach, ich weiß auch nicht. Vergiss es. Und was die
Pappen angeht: Der Deal steht. Aber was soll ich sagen, wenn jemand sie sehen
will?«
Ich zucke mit den Schultern. »Du hast sie weggeworfen. Hast gedacht,
die braucht keiner mehr. Ich kann auch neue ausdrucken, merkt ja niemand.«
» Bene , dann ist ja alles gut«, freut sich
Stefano. »Meine Damen, darf ich euch zu einem frühen Mittagessen auf meine
Kosten einladen? Es lohnt sich einfach nicht, vor der Mittagspause die Arbeit
wieder aufzunehmen. Und dann erzählst du uns, Nina, wie unsere Präsentation gestern gelaufen ist.«
Simona gibt sich gnädig, als wäre diese Einladung das Mindeste, was
sie von ihrem Chef erwarten kann.
»Okay«, sage ich. »Aber ich mache vorher noch schnell die Kopien,
damit der Burgfrieden in diesem Raum auch nach der Pause anhält. Simona, her
damit.«
Unter Stefanos größtem Protest drückt mir Simona tatsächlich einen
Packen Papier in die Hand. »Die Heftklammern habe ich alle schon
rausgefummelt«, informiert sie mich gnädig.
Ich beschließe, dies nicht weiter zu kommentieren, und gehe zum Ende
des Ganges, wo der Kopierer steht. Während der automatische Einzug die Seiten
verschluckt, lehne ich an der Wand und blättere in einer Zeitschrift. Aus den
Augenwinkeln sehe ich eine Gestalt über den Flur eilen. Ich blicke auf und
erkenne Lidia von hinten, die in den Materialraum gehuscht ist.
»Lidia, he!« Ich laufe ihr nach. Sie steht mir mit dem Rücken
zugewandt vor einem Regal und sortiert angestrengt Bleistifte in eine Kiste.
»Was machst du denn da?«, will ich wissen.
»Nichts«, kommt es tonlos zurück.
Ich gehe zu ihr, fasse sie am Arm und drehe sie zu mir um. Erst
jetzt sehe ich, dass sie weint. Tränen laufen ihr über das gerötete Gesicht.
»Lidia, was ist passiert?«
Sie druckst herum und versucht, an mir vorbei auf den Flur zu
spähen.
»Wo warst du letzte Woche? Was hattest du? Warst du krank?«
»Nein, nicht krank. Jedenfalls nicht richtig.«
»Was war denn los? Ich dachte schon, du wolltest mich mit der
Präsentation hängen lassen.«
»Und einfach nicht zur Arbeit kommen? Was denkst du denn von mir?«
Sie starrt mich entsetzt an. »Nein, es ist nur …« Wieder bebt ihre Stimme und
sie ringt um Fassung.
Mit einem Tritt knalle ich die Tür hinter uns zu. Wir stehen nun im
spärlich beleuchteten Materialraum und Lidia weint erneut. Ich lege einen Arm
um sie und die bisher so reservierte Schönheit lehnt sogar ihren Kopf an meine
Schulter und fängt an zu schluchzen. Ein paar Minuten stehen wir so da, bis sie
sich langsam beruhigt. Ich reiche ihr einen alten Putzlappen, den ich aus einem
Regal angeln konnte. Sie schnäuzt sich damit geräuschvoll die Nase und schnappt
nach Luft.
»Ich hatte …«, beginnt sie zögernd, »ich hatte einen Abgang.«
Ich verstehe nicht. »Was ist denn ein Abgang?«
»Eine Fehlgeburt. Schwangerschaft vorbei, aber kein Baby. Tot.«
»Oh«, nun schnappe ich nach Luft. »Warum?«, frage ich dämlich.
»Einfach so. So etwas passiert einfach so. Das passiert sogar ganz
oft.« Sie zuckt resigniert die Schultern und schaut zum Regal mit den
Papiervorräten bis hoch zur Decke. »Nina, es ist so schrecklich. Es ist das
Schlimmste, was mir je passiert ist«, schluchzt sie. »Aber für die Ärzte ist
das noch nicht mal was Besonderes. Die zucken bloß mit den Schultern und gehen
danach wieder zum Tagesgeschäft über. Ich habe grauenhafte Tage hinter mir. Es
war die Hölle.«
Lidia beginnt wieder bitterlich zu weinen. Ich nehme sie in die Arme
und wiege sie leicht hin und her. Mir fehlen die Worte. Dass ich diese
Traumfrau mit ihrem Traummann und ihrem fabelhaften Leben einmal so verzweifelt
erleben würde, hätte ich niemals für möglich gehalten.
13.
Unsere Mittagspause verläuft ruhig und fröhlich, fast
schon ein bisschen ausgelassen. Lidia haben wir auf meine Bitte hin mitgenommen
und sie gibt sich alle Mühe, sich wenigstens ab und zu ein gequältes Lächeln
abzuringen. Simona und Stefano beäugen sie zwar argwöhnisch ob ihrer
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