Cappuccino fatale
rattert. Er stößt mir leicht in die
Seite. »So eine bist du.« Er grinst mich eindeutig zweideutig an.
»Nee, du hast angefangen.«
»Einverstanden«, Paolo beugt sich zu mir. »He«, flüstert er dann,
»wir sind schon die halbe Stadt abgelaufen, lass uns ein Taxi ins Hotel
nehmen.«
Die Pension, die Paolo für uns ausgesucht hat, ist ein
kleines, zweistöckiges Schmuckstück in einem der vielen schmalen Seitengässchen
Trasteveres. Außen in leuchtendem Gelb getüncht und mit Wein berankt, innen ein
kleiner, schwach beleuchteter Empfangsraum in dunklem Holz, mit grünem Teppich
und einer gelben Sitzgruppe in der Ecke. Die Dame hinter dem Tresen, die uns in
Empfang nimmt, entpuppt sich als Engländerin, die seit zwanzig Jahren in Rom
lebt und die Pension zusammen mit ihrem Mann führt.
Paolo beweist Stil, wie ich finde: Wir haben getrennte Zimmer. Er
hat vergangene Nacht schon ein Zimmer im ersten Stock bezogen, während ich in
einer kleinen Mansarde direkt unter dem Dach untergebracht bin. Ein schmales
Einzelbett steht unter der mit dunklem Holz getäfelten Dachschräge und durch
ein kleines quadratisches Sprossenfenster dringen die letzten Sonnenstrahlen
der langsam untergehenden Sonne.
Ich packe meine wenigen Habseligkeiten aus und verteile sie auf dem
Bett. Für den Abend habe ich ein Kleid und hohe Schuhe dabei. Ich dusche in dem
winzigen Badezimmer in leicht geduckter Haltung, rasiere mir in endloser
Akribie die Beine, obwohl das letzte Mal erst zwei Tage her ist, und gebe mir
richtig viel Mühe mit dem Make-up.
In meinem Hirn jagt ein Gedanke den nächsten. Was heute Abend wohl
passieren wird? Ob etwas passieren wird?
In ein Duschtuch gewickelt, die nassen Haare in einen Handtuchturban
gehüllt, setze ich mich auf das Bett und beschließe, mir die Nägel mit
toffeefarbenem Lack zu übermalen. Ich starte mit den Zehennägeln.
Während ich so dahocke, denke ich weiter nach. Ein deutliches
Zeichen dafür, dass man wirklich endlich erwachsen ist, ist, wenn man sich
keine Illusionen mehr darüber macht, was passieren könnte, wenn ein Mann und eine Frau sich treffen. Es gibt keine Überraschungen mehr im
Hinblick darauf, wann was passiert: entweder beim
dritten Date oder, wenn man dummerweise nicht in derselben Stadt wohnt, beim
zweiten Treffen. Denn wenn man von weither angereist ist, geht man nicht nur
zusammen eine Pizza essen, um danach »Danke für den schönen Abend« zu sagen.
Passiert nichts, gibt es auch keinen Zweifel mehr. Das war’s dann. Da gibt es
auch kein »Freunde bleiben«. Damit ist das Spiel vorbei und man sucht sich
einen neuen Spielkameraden.
Meine Zehennägel sind inzwischen fertig lackiert. Ich lasse die Füße
vom Bett baumeln, nehme mir die linke Hand vor und hänge weiter meinen Gedanken
nach.
Mir steht also ein kalkulierbarer Abend bevor. Das ist aufregend und
zugleich auch nicht. Ich frage mich, wie es wohl wird, wenn wir zusammen zu
Abend essen. Werden wir dann spätestens ab dem Nachtisch immer wortkarger? Oder
betrunkener, um Peinlichkeiten zu überspielen? Himmel, mein letztes Date
scheint Lichtjahre her zu sein. Oder kann man das mit Renato etwa Date nennen?
Tee trinken mit missglückter Atelierbesichtigung im Anschluss? Vielleicht eher
nicht.
So. Die erste Hand ist auch fertig. Als Nächstes nehme ich den
rechten Daumen in Angriff, den schwierigsten Part. Volle Konzentration.
Da klopft es an der Tür. Ich zucke zusammen, rutsche mit dem
Lackpinsel ab und versaue mir den Daumen.
» Chi è? Wer ist da?«, rufe ich durch die
geschlossene Tür.
»Hier ist der böse Wolf. Mach lieber nicht auf«, höre ich eine mir
bekannte Stimme.
Mist, so wie ich hier sitze? Was tun? Was soll ich jetzt bloß
machen?
Nach einem kurzen desillusionierenden Blick in den Spiegel über der
Kommode hinke ich vom Bett und verschanze mich hinter der Tür, um die Klinke
mit dem Unterarm und weit abgespreizten, weil frisch lackierten Fingern
herunterzudrücken.
Paolos Gesicht erscheint direkt vor mir. »Schicker Hut«, begrüßt er
mich, deutet fröhlich auf meine Kopfbedeckung und schiebt sich wie
selbstverständlich durch die Zimmertür.
»Oh«, gibt er dann halb überrascht, halb erfreut von sich, als ich
ihm mit aufgescheuchtem Gesicht, meinem arg provisorischen Outfit und immer
noch steif vom Körper abgehaltenen Händen gegenüberstehe. »Du gehst ja ran«,
neckt er mich.
»Hä, wieso ich?«, frage ich verwirrt.
»Na ja, bei deinem Aufzug bleiben doch keine Fragen offen,
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