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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sitzt. Was verbirgt sich unter dem Deckel?
    »Meine Tochter hat mich hierher abgeschoben, nach dem Tod meines Mannes, wissen Sie. Sie sagt, dass ich rieche. Was tut man
     in Ihrem Land mit alten Leuten, junger Mann?«
    »Bei uns leben sie normalerweise in Familie, aber manchmal gehen sie in Kloster. Frauen-Kloster ist sehr beliebt bei orthodoxe
     Damen.«
    »Hm. Das klingt sehr nett, ein Kloster nur für Frauen.« Mrs.   Gayle nagt an einem Keks. Viele Zähne hat sie nicht mehr. »Gesellschaft. Ein Dach über dem Kopf. Keine Oberschwester, die
     einen herumkommandiert. Und der einzige Mann, um den man sich kümmern muss, ist unser Herr Jesus   …« Sie kramt in ihrer Handtasche und holt ein Päckchen Zigaretten heraus. »…   der wahrscheinlich viel weniger anstrengend ist als ein Ehemann. Wahrscheinlich trinkt er auch nicht so viel.« Wieder wühlt
     sie in der Tasche. »Haben Sie Feuer?«
    »Nein, tut mir leid. Ich nicht   …«
    »Im Hausmeisterzimmer gibt es Streichhölzer. Gehen Sie einfach den Gang runter, dann die Treppe in den Keller, und dann ist
     es links.«
    |302| Als sie Hund noch einen Keks hinhält, macht er Männchen. Das kennt Andrij gar nicht von ihm. Im Zimmer ist es sehr heiß, und
     der Geruch ist erdrückend. Ihm ist ein bisschen schwindlig.
    »Gehen Sie schon.« Sie gibt ihm einen kleinen Klaps mit dem Stock. »Trödeln Sie nicht herum. Der Hausmeister ist gerade nicht
     da.«
    Das Hausmeisterzimmer im Keller ist eine Höhle, vollgestopft mit altem Holz, Möbeln, die auf Reparatur warten, kaputten Geräten,
     obskuren Maschinenteilen und so weiter, und in den Regalen an der Wand ist eine interessante Werkzeugsammlung. Andrij bleibt
     in der Tür stehen. Vom Hausmeister ist nichts zu sehen. Auf dem Tisch an der Tür liegen ein Päckchen Tabak, eine lange gebogene
     Pfeife und eine Schachtel Streichhölzer. Er zögert. Dann nimmt er die Streichhölzer, steckt sie in die Tasche und geht wieder
     nach oben.
    An der Tür zum Korridor ist ein Rauchen-verboten-Schild.
    »Mrs.   Gayle. Entschuldigung. Wissen Sie von Rauchen verboten?«
    »Ha! Sie klingen schon wie meine Tochter! Die sagt mir auch immer, dass ich aufhören soll. Aber ich muss hier drin rauchen
     – sonst ist der Gestank nicht auszuhalten. Haben Sie die Streichhölzer?«
    Er zögert. Sie stochert mit dem Stock nach ihm.
    »Kommen Sie schon, junger Mann. Lassen Sie einer alten Frau das bisschen Spaß.«
    Also gibt er ihr die Streichhölzer. Sie zündet sich eine Zigarette an und beginnt sofort zu husten.
    »Wissen Sie, meine Tochter hat mich hier reingesteckt, weil ich Kommunistin bin. Ja, wegen meiner politischen Gesinnung haben
     sie mich hier eingekerkert.«
    |303| »Nein!« Kann das wahr sein? Passieren solche Dinge in England?
    »Doch. Sie ist mit einem Börsenmakler verheiratet. So ein saftloser Adelsspross. Ein böser Mensch. Und jetzt bin ich hier,
     und sie leben in meinem Haus.« Ihr linkes Augenlid zuckt.
    »Wie kann das sein?«
    »Ich wollte das Haus den International Workers of the World spenden, aber sie haben es mir weggenommen. Mich gezwungen, etwas
     zu unterschreiben. Haben beim Sozialamt behauptet, ich wäre verrückt.« Jetzt ist sie so aufgeregt, dass sie sich noch eine
     Zigarette aus dem Päckchen nimmt und ansteckt, obwohl die erste noch im Aschenbecher vor sich hin glimmt. »Komme ich Ihnen
     etwa verrückt vor?«
    »Nein. Sehr nicht verrückt, Mrs.   Gayle.«
    »Aber was meine Tochter nicht weiß, ist, dass ich zurückkomme. Ich werde wieder heiraten, und dann komme ich nach Hause.«
     Sie kichert. »Sind Sie verheiratet, junger Mann?« Wieder zuckt ihr Augenlid. Oder zwinkert sie ihm zu? Andrij spürt einen
     Anflug von Panik. Er schüttelt den Kopf. Sie nimmt noch ein paar tiefe Züge von der Zigarette, hustet ein-, zweimal und fährt
     fort: »Ja, Mr.   Majevski aus Zimmer neun. Der ukrainische Gentleman. Haben Sie ihn schon kennengelernt?«
    Inzwischen ist das ganze Zimmer voller Rauch. Bestimmt riecht man es schon im Flur. Wenn sie erwischt werden, kriegen sie
     Ärger. Andrij will die Zigarette im Aschenbecher ausdrücken, aber Mrs.   Gayle hat sie ihm blitzschnell weggeschnappt und steckt sie sich in den Mund, zu der anderen Zigarette.
    »Nichts da, junger Mann.« Jetzt flüstert sie vertraulich, während sie an beiden Zigaretten gleichzeitig pafft. »Er hat einen
     unglaublichen Sexualtrieb für einen Mann von zweiundneunzig |304| Jahren, wissen Sie. Ja, die haben noch keine Ahnung, aber wir

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