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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kaputte Aufzug
     (Jolas und Martas Zimmer befindet sich im fünften Stock), die Tatsache, dass in den Gemeinschaftswaschräumen um neun das Wasser
     abgestellt wird (eigenes Bad? Soll das ein Witz sein?), und die Kakerlaken, von denen das ganze Gebäude befallen ist. Immerhin
     haben sie wirklich einen sehr hübschen Blick aufs Meer.
    Das Schlimmste am Majestic ist jedoch, dass in seinen dicken ziegelroten, neugotischen, von Kakerlaken wimmelnden Mauern mindestens
     zweihundert Menschen untergebracht sind, und zwar keine Reisenden oder Feriengäste, sondern Leute, die hier ihr Dasein zu
     fristen versuchen – Wanderarbeiter wie sie selbst, Asylbewerber aus jedem von Unruhen heimgesuchten Winkel der Welt, obdachlose
     Familien aus den Slums der englischen Großstädte   –, einer über den anderen gepfercht wie Seelen in der Hölle, sie drängeln sich in den Schlangen vor den schmutzigen Klos,
     klauen einander die Milch aus den schimmligen Gemeinschaftskühlschränken und halten sich nachts gegenseitig wach mit ihren
     Streitereien, Feiern und Alpträumen.
    |122| Gemeinsame Mahlzeiten gibt es nicht. Entweder nehmen die »Hotelgäste« ihre Mahlzeiten in Cafés ein oder sie sorgen für sich
     selbst und essen auf den Zimmern – schön für die Kakerlaken. Und auch wenn es hier kein Vogelgezwitscher gibt, herrscht niemals
     Ruhe: Selbst in der tiefsten Nacht muss immer irgendwer zur Frühschicht aufstehen oder es kommt jemand von der Nachtschicht
     heim und macht Musik an oder streitet sich oder zeugt ein Kind oder tröstet ein schreiendes Baby, so dass man, wenn man nicht
     den Verstand verlieren will, versuchen muss, sich abzuschotten, diese ganze Last des menschlichen Elends auszublenden, das
     von allen Seiten auf einen hereinbricht, durch die Wände, die Decke, den Fußboden. Jola fasst es mit drei Worten zusammen:
     »Zu viele Ausländer.«
    Wenn das hier wirklich die Hölle wäre, müsste es Teufel mit Mistgabeln geben, denkt Jola. Stattdessen haben sie zwei Slowakinnen
     im Zimmer, die ihnen nicht gerade ein freundliches Willkommen bereiten, denn sie hatten das Zimmer bisher für sich allein
     und haben sich darin ausgebreitet, überall hängt ihre nasse Unterwäsche zum Trocknen, so dass das Zimmer nicht nur unordentlich
     ist, sondern auch feucht. Natürlich ist es nicht ihre Schuld, dass man in diesem Hotel nicht richtig waschen kann, aber noch
     schlimmer findet Jola die Unterhosen, die die Slowakinnen tragen, bei denen es sich um Stringtangas handelt. Die hemmungslose
     Art, wie ihre kräftigen Hinterbacken darunter herumhüpfen, ist einfach ungeheuerlich, und Jola kann beim besten Willen nicht
     verstehen, warum sich Frauen so was Unbequemes antun, wo es überall großzügig geschnittene weiße Baumwollschlüpfer gibt, die
     günstig und vor allem erwiesenermaßen hygienischer sind, und außerdem, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, von feinsinnigeren
     Männern als äußerst verführerisch erachtet werden, wobei |123| es in der Slowakei solche Männer anscheinend nur selten gibt.
    Auch Marta sieht die Stringtangas mit Abscheu, allerdings aus anderen Gründen.
     
    Als Jola und Marta vor dem Hotel abgesetzt wurden, erhielt Tomasz die Anweisung, im Wagen zu bleiben, denn er wird auf der
     Sunnydell-Hühnerfarm in Titchington gebraucht. Er hat lautstark Protest eingelegt, weil er nur dahin will, wo Jola ist, und
     der neue Job ist ihm egal, er wäre zufrieden, einfach nur dazusitzen, Gitarre zu spielen und ihr vorzusingen. Aber der Wagen
     war längst wieder losgefahren, und Jola und Marta winkten ihm nach, bis sie am Horizont verschwunden waren.
    »Keine Sorge. Nix weit«, sagte der Fahrer. »Du kommst wieder mit gut Geld in die Tasche, dann läuft es bei euch. Hehe.«
    Aus irgendeinem Grund fehlten hinten im Minibus die Sitze, und die Passagiere mussten auf dem Boden sitzen. Aus dieser Position
     bekam Tomasz nicht viel von der Landschaft mit, aber da waren Felder und Wälder, und irgendwann erhaschte er sogar einen Blick
     auf das Meer. Dann fuhren sie über einen langen asphaltierten Weg mit mehreren Stolperschwellen und waren da.
    Der Minibus blieb vor einem kleinen Doppelhaus aus Backstein stehen, das hinter einem Holzzaun in einem verwilderten Garten
     stand. Es hätte recht hübsch aussehen können, aber schon auf den ersten Blick merkte Tomasz, dass der Ort etwas Zwielichtiges,
     Abschreckendes hatte. Die Vorhänge waren zugezogen, obwohl es fast Mittag war, und neben den Eingangstüren

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