Caravan
kommt Marta auf sie zugerannt, und dann Tomasz, und sie ziehen
alle rein, während der Landrover mit dem Wohnwagen zurücksetzt und Vitali schreit: »Nein, Stopp! Stopp!«, bis sie an einer
Stelle sind, die breit genug zum Wenden ist, und in letzter Minute kommt auch Hund und springt hinten hinein, und dann tritt
Andrij aufs Gaspedal und sie sind fort.
Als sie Dover erreichen, haben Marta, Jola und Tomasz Andrij und Emanuel alles erzählt, was passiert ist, Vitali hat erfolglos
versucht, Andrij dazu zu bringen, ihm das Geld zurückzugeben, und die meisten Leute hinten im Wohnwagen haben sich übergeben.
Marta findet es schade, dass sie es nicht geschafft hat, wenigstens ein Hühnchen für das Abendessen mitzunehmen, |194| aber andererseits, vielleicht haben die letzten Tage ihre Ansichten übers Essen verändert. Nachdem sie die Mitfahrer in Dover
abgesetzt haben, kehren sie an ihren Lieblingsplatz neben dem Karottenfeld zurück, wo Marta ein köstliches Mahl aus Weißbrot,
Margarine und kaltem Fisch improvisiert, garniert mit Karotten, Zitronenscheiben und Kräutern vom Straßenrand.
Jola und Tomasz helfen ihr, die Karotten zu schaben, und dabei erzählt Jola Tomasz von ihrer Auseinandersetzung mit Geta.
Begeistert hängt Tomasz an Jolas Lippen und bittet sie, die Geräusche zu wiederholen, die sie auf der Toilette gemacht hat,
was sie auf ihre typische vulgäre Art auch tut, und dann prusten beide los wie die kleinen Kinder. Und Marta denkt, jetzt
geht alles wieder von vorn los.
Sie erinnert sich an das letzte Mal, als das passierte – als Jola einen netten Mann kennenlernte, einen dicken Obst- und Gemüsehändler,
Händchenhalten und Kichern und heimliches Knutschen. Und dann brachte Jola den Mann mit zu sich nach Hause in Zdroj, und kaum
hatte der den kleinen Mirek kennengelernt, ja, kaum hatte er ihn auch nur angesehen, war er rückwärts zur Tür raus wie ein
in die Enge getriebener Kater. Nicht mal den Hut hatte er abgenommen. Nicht mal die Schachtel Likörpralinen hatte er abgelegt,
die er in der Hand hielt.
»Ich scheiß auf dein Gemüse!«, schrie Jola seinem flüchtenden Rücken hinterher, aber die Worte glitten an ihm ab wie Butter
an einem heißen Knödel.
Jola hatte lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Und eins muss man ihr lassen – sie hat Mirek nie die Schuld daran gegeben.
Nicht ein einziges Mal.
»Jola«, sagt Marta und steckt das Gas an der Herdplatte an, »warum zeigst du Tomasz nicht deine Fotos?«
»Ich glaube kaum, dass Tomasz Lust hat, sich die langweiligen |195| Fotos anzusehen.« Jola tritt Marta gegen das Schienbein. Ja, sie hat schon einige blaue Flecken an den Schienbeinen.
»Ich würde mir sehr gern deine Fotos ansehen«, sagt Tomasz.
Also muss Jola wohl oder übel die drei Fotos rausholen, die sie immer bei sich trägt. Das hübsche Haus in Zdroj mit dem Garten
bis runter zum Fluss und den Pflaumen- und Kirschbäumen. Die vier masurischen Ziegen, ein bisschen verwackelt, weil sie einfach
nicht stillhalten wollten. Und Mirek auf der Schaukel im Garten, mit dem süßen Lächeln in seinem großen runden Gesicht, wie
er die Zunge rausstreckt und vor Lachen die goldigen Äuglein zukneift.
»Das ist dein Sohn?«
»Mein lieber Sohn Mirek.«
»Ich würde ihn sehr gern kennenlernen.«
Als Andrij früh am nächsten Morgen aufwacht, muss er sich erst mal orientieren. Irgendwas ist anders im Wohnwagen. Er hört
Flüstern und Kichern. Was ist mit Emanuel passiert? In der Koje, wo Emanuel sein sollte, liegt Tomasz und schläft tief. Drüben
ist das Doppelbett ausgeklappt, und Jola und Marta liegen darin. Andrij schließt die Augen und tut so, als würde er noch schlafen.
Etwas später hört das Flüstern auf, und Marta steht auf und setzt den Kessel auf. Emanuel, der freundlicherweise im Landrover
geschlafen hat, kommt zum Frühstück herein.
Bis sie schließlich das Fährterminal in Dover erreichen, ist es spät am Vormittag und sie haben es alle eilig. Anders als
Vitali gesagt hat, können Jola, Tomasz und Marta ihre Fahrkarten ohne Probleme umtauschen. Unter Tränen und Umarmungen und
nachdem sie Adressen ausgetauscht haben, sagen sie einander am Hafen Adieu.
|196| »Wir kommen wieder«, verspricht Tomasz.
»Ganz bestimmt«, sagt Jola. »Aber nicht wegen Erdbeer oder Hühner. Jetzt, wo wir bei europäisches Marketing sind, können wir
hier gutes Geld verdienen. Ich werde Lehrerin sein. Tomek wird
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