Carina - sTdH 3
Überzeugung, daß der Allmächtige der Ansicht
sei, sie solle mit Guy durchbrennen.
Das ganze
Pfarrhaus war in heller Aufregung wegen der Vorbereitungen für das Gartenfest.
Es war gar nicht einfach, sich zu entscheiden, was man anziehen sollte. Der
Hundertjährige Kalender versprach einen schönen Tag. Sollte man lieber in
Schönheit frieren, oder sich in Wolle wohl fühlen?
Daphne
wollte natürlich frieren. Kein Opfer war zu groß. Mode stand über alles.
Wäre
Minerva immer noch ihre Ersatzmutter gewesen, hätten sie sich alle vernünftig
anziehen müssen. Aber Minerva war verheiratet. Minerva war in Paris, und Mrs.
Armitage hatte ein neues und delikates Leiden entdeckt und hatte sowenig
Interesse an dem, was ihre Töchter taten oder ließen, wie eh und je.
Carina
wünschte den eleganten Lord Harry aus tiefster Seele zur Hölle.
Er war viel
zu sehr zum Liebling der ganzen Familie geworden, als daß sie sich dabei
wohlgefühlt hätte. Sie alle schienen die Heirat für eine beschlossene Sache zu
halten. An diesem Abend hatte Lord Harry nach dem Abendessen ein lautes
Stäbchenspiel mit Carina und Diana gespielt; dabei hatte er unbekümmert sein
ganzes Vermögen verspielt und gedroht, in den Garten zu gehen und sich zu
erschießen – zu Fredericas Entzücken.
»Das ist
schlimmer als Waterloo«, lachte er und zog Frederica an den Haaren.
»Wie wollen Sie das denn wissen?« fragte Carina unhöflich.
Es folgte
peinliches Schweigen.
»Carina!«
drohte ihr Vater. »Ich möchte dich in meinem Studierzimmer sprechen.«
Carina warf
ihre Lippen rebellisch auf. Lord Harrys heisere Stimme beschrieb den Taifun,
der das Gartenfest morgen sicherlich heimsuchen würde, und sogar Daphne
kicherte hemmungslos über die verrückten Beschreibungen, die er entwarf.
Das ganze
Pfarrhaus scheint von Lord Harry Desire erfüllt zu sein, dachte Carina
ärgerlich, als sie ihrem Vater durch die Halle zu seinem Arbeitszimmer folgte.
Sie hatte
heimlich gehofft, ihre Familie würde eine Abneigung gegenüber diesem trägen,
dümmlichen Lord entwickeln.
»Schließ
die Tür«, schnauzte ihr Vater sie an, sie aus ihrenGedanken
reißend. »Was sollte diese Bemerkung bedeuten, Miss?«
»Welche Bemerkung, Papa?«
fragte Carina zuckersüß zurück. »Daß Lord Harry nichts von Waterloo weiß.«
»Ich hielt
es für eine gerechte Feststellung, Papa. Es gab vielegute und
tapfere Männer, die in Waterloo kämpften. Er sollte esnicht
einmal im Spaß wagen, so zu tun, als wäre er einer von ihnen.«
»Und warum
nicht? Da er doch ganz bestimmt einer war?«
»Du mußt –«
»Hör
einmal, Mädchen, ich weiß es von Lord Brothers, daß Harry Desire einer der
tapfersten Offiziere auf dem Schlachtfeldwar. Nur
weil der Mann nicht überall angibt und protzt, heißt das nicht, daß er nicht
tapfer ist.«
»Es tut mir
leid, Papa«, ließ sich Carina kleinlaut vernehmen, auch wenn sie im stillen
Lord Harry nur noch mehr dafür haßte, daß sie jetzt so dumm dastand.
»Ich weiß
nicht, was in deinem Kopf vorgeht«, fuhr der Vikar fort. »Wenn da ein anderer
Mann in deinem Leben wäre, könnte ich es verstehen. Desire ist ein netter Kerl.
Er ist nicht allzu klug, das garantiere ich dir. Oft scheint er nicht älter als
Frederica zu sein. Er hat dem Bellen meiner Hunde zugehört und gesagt: ›Der
Baß ist eine Spur zu tief. Sie sollten das Tier stimmen lassen, meinen Sie
nicht?‹ Aber Intelligenz ist sowieso nicht Mode und war's auch nie. Er ist
ein Gentleman, und der wahre Gentleman ist dumm.«
»Würdest du
dich selber so beschreiben?« fragte Carina hinterhältig.
»Oh, ich
bin nicht dumm«, sagte der Vikar ernsthaft, »aber ich habe den Grips, diese
Tatsache zu verbergen. Ich habe von Minerva und Annabelle Post. Sieht so aus,
als ob sie meinen, dein Debut sollte nächstes Jahr sein. Aber wir können es uns
nicht leisten, zu warten.«
Carina
ballte ihre Fäuste und schaute ihren Vater mit ihren eigenartigen grünen Augen
an: »Papa, wenn ich einen Mann heiraten würde, der einen Haufen Geld hat, dann
wäre es dir doch bestimmt egal, was das für ein Mann ist?«
Sie blickte
ängstlich, denn Guys Name zitterte ihr auf den Lippen.
»Natürlich
wäre es mir nicht egal«, sagte der Vikar überzeugt. »Stell dir vor, unsere
Bella hätte diesen Guy Wentwater geheiratet. Er soll übrigens auch zu Edwins
Gartenfest kommen. Ich habe zu Edwin gesagt, ›du hast keinen Stil‹, ja
das habe ich gesagt. Edwin sagte, Wentwater handelt nicht mehr mit Sklaven
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