Carina - sTdH 3
wenn Sie schlafwandeln? Wenn wir
verheiratet sind, werde ich Sie ans Bett ketten müssen.«
»Nein. So
etwas habe ich noch nie gemacht. Mylord, Sie sind ein Gentleman. Lassen Sie uns
bitte zum Pfarrhaus zurückgehen und nicht mehr über die Angelegenheit
sprechen.«
»Wie Sie
wünschen«, antwortete er leichthin.
»Aber ich kann nirgends hingehen«, sagte Carina ärgerlich. »Sie halten mich so fest.«
»Das ist
richtig«. Seine Augen leuchteten im Mondlicht. »Mir ist kalt, wissen Sie, und
Sie wärmen mich so schön.«
»Bitte,
lassen Sie mich gehen«, bat Carina. Sie schaute wild um sich. Eine wahnsinnige
Angst vor Vergewaltigung überkam sie. Er war gar nicht mehr der dümmliche,
träge Lord der vergangenen Tage. Seine Männlichkeit war geradezu überwältigend,
und seine kräftigen Arme, die um sie geschlungen waren, machten sie ganz
hilflos. Er gehörte plötzlich zu dieser geheimnisvollen Welt der Männer, die
schlüpfrige Witze erzählten und Frauen verachteten, sie aber mit den Blicken
auszogen. Diese Welt der Männer hatte sie immer gefürchtet – das merkte sie
jetzt.
»Natürlich
lasse ich Sie gehen«, sagte er begütigend. »Aber Sie müssen mich natürlich noch
einmal küssen, denn ich kann heute nacht nicht ruhig mit dem Wissen schlafen,
daß ich von einer schönen jungen Dame geküßt worden bin, nur weil sie
schlafgewandelt ist.«
»Nein, ich
will Sie nicht noch einmal küssen!«
»Aber
begreifen Sie doch, daß ich für Ihre Gesundheit fürchte. Ich meine, Ihre Mutter
und Ihr Vater sollten von dieser gefährlichenKrankheit
erfahren.«
»Nein, Sie
dürfen Ihnen nichts sagen. Sie würden sich Sorgen machen. Es kommt ganz selten
vor. Machen Sie sich nicht lustig über mich.«
»Dann
küssen Sie mich.«
Carinas
Ängste verflogen, sie war jetzt nur noch verärgert. Schließlich konnte nur ein
sehr dummer Mann so hartnäckig um einen Kuß betteln, wenn das Mädchen in seinen
Armen so offensichtlich fort wollte.
»Also gut«,
sagte sie. »Einen Kuß.«
Sie bot ihm
ihre Lippen dar und schloß die Augen ganz fest. Im nächsten Augenblick öffneten
sie sich vor Überraschung. Denn er hatte sie hochgehoben, als ob sie überhaupt
nichts wiege. Ein Arm lag um ihre Schultern und der andere in den Kniekehlen.
Der Mond verschwand wieder hinter einer Wolke und tauchte sie ins Dunkle, als
sich sein Mund auf ihren Mund herabsenkte.
Noch bevor
seine Lippen die ihren berührten, dachte Carina grimmig: »Jetzt wird der dumme
Kerl den Unterschied merken ... jetzt, wo ich weiß, daß es nicht Guy ist.«
Sein Mund
schien an ihren Lippen zu haften, als er sie sehr sanft küßte, während sie
teilnahmslos darauf wartete, daß er endlich aufhörte.
Doch da
fing ihr Körper verräterisch zu zittern an und schmerzte geradezu vor
Sehnsucht. Ihre Hand stahl sich in seinen Nacken, scheinbar ohne ihr Zutun, und
vergrub sich in seinen dichten Locken.
Er ließ sie
abrupt los, stellte sie auf die Füße und gab ihr mit einem Arm um die Schultern
Halt.
Sie stand
ganz still und schaute zu Boden; sie fühlte sich schlecht, bis ins Mark
erschüttert und voller Angst. Diese schwindelnde Lust, die sie da ergriffen
hatte, war furchterregend. So sollte Liebe nicht sein. Sie sollte süß und rein
sein: eine zarte Vereinigung zweier Seelen, ein Zusammentreffen und
Zusammenfließen von Ideen.
Carina
hatte das Gefühl, daß sie Guy untreu geworden war.
Sie schaute
zu Lord Harry auf. Er hatte ein flaches Etui aus der Tasche gezogen und holte
sich eine Zigarre heraus.
»Was für
eine schöne Nacht«, stellte er glücklich fest.
»Sie ...
Sie werden meinen Eltern doch nichts erzählen von ... von meinem
Schlafwandeln?» fragte Carina mit einer ungewohnt rauhen Stimme.
»Nein«,
sagte er sanft und begann über das Feld zu gehen. »Nein, ich denke nicht. Sie
würden mir ja auch vielleicht nicht glauben. Ihr guter Vater, der manchmal –
verzeihen Sie Miss Carina – Gedanken hat, die nicht recht zu seinem geistlichen
Stand passen, könnte zu dem Schluß kommen, daß Sie mich mit jemandem verwechselt
haben.«
Carina
stolperte, und er nahm ihren Arm. Sie schaute ängstlich zu ihm auf, und er
lächelte zurück; in seinen Augen war nichts anderes als gutmütiger, harmloser
Humor zu sehen.
»Was sehr
dumm von ihm wäre«, sagte Carina leise.
»Was sehr
dumm vom ihm wäre«, stimmte Lord Harry zu, »da Sie mich ja beim zweiten Mal genauso
liebevoll wie beim ersten Mal geküßt haben.«
»Wir wollen
nicht mehr darüber sprechen«,
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