Carina - sTdH 3
meinte Carina. »Bitte erzählen Sie mir etwas. Ich
habe von meinem Vater erfahren, daß Sie sich in Waterloo tapfer geschlagen
haben.«
»Ich habe
dort gekämpft, ja.«
»Erzählen
Sie mir davon.«
»Ich habe
keine Lust, darüber zu sprechen«, sagte er lässig. »Ich möchte über Ihre Augen
sprechen. Tragen Sie manchmal Jadeohrringe? Ich wünschte, wir wären verlobt,
dann könnte ich Ihnen ein Paar kaufen.«
»Ich nehme
an, Sie halten Frauen für zu dumm, um Kriegsgeschichten zu hören.«
»Die
einzigen, die Geschichten über Waterloo erzählen, sind Leute, die nicht selbst
dort waren und die auch nie in einer solchen Schlacht gekämpft haben. Es war
nicht wie andere Schlachten, wissen Sie. Es war ein Gemetzel und
Blutvergießen.«
»Sie
meinen, eine Schlacht, die England nicht hätte schlagen sollen?«
»Nein,
warum sollte ich das denken? Mein Französisch ist ziemlich haarsträubend. Ich
glaube, deshalb hätte ich keine Lust, unter Napoleon zu leben. Und denken Sie
nur an ihre Mäntel! Ganz abscheulich, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ich kenne
einen Mann, der tapfer in Waterloo gekämpft hat und sich nicht schämt, darüber
zu sprechen«, sagte Carina mit einem Hauch von Verachtung in der Stimme.
»Wirklich?
Wer bitte?«
»Sie werden
ihn morgen kennenlernen.«
»Ah, eine
Überraschung.«
»Ich
glaube, Lord Harry, bevor wir zu Hause ankommen, sollte ich klarstellen, daß
wir nicht zusammenpassen. Ich bin Ihnen dafür dankbar, daß Sie Papa gesagt
haben, daß Sie auf Besuch kommen, so daß ich aus London wegkonnte. Aber es ist
an der Zeit, diese Komödie zu beenden.«
»Aber ich
fühle mich sehr wohl«, sagte er. »Ich mag Ihre Familie. Ich habe in letzter
Zeit nicht viel Familienleben gehabt.«
»Haben Sie
Geschwister?« fragte sie neugierig und merkte dabei, wie wenig sie über ihn
wußte.
»Ich habe
drei Brüder, alle jünger als ich, und zwei kleine Schwestern.«
»Besuchen
Sie Ihre Eltern sehr oft?«
»So selten
wie möglich.«
»Ich weiß,
was es heißt, seine Eltern zu verabscheuen«, sagteCarina
bitter; zum erstenmal fühlte sie sich mit ihm verbunden. »Ich habe nicht
gesagt, daß ich sie verabscheue«, sagte er obenhin. »Ich habe sie sogar gern,
aber ich lebe lieber in der Stadt.« Er sprang leichtfüßig über den Zauntritt
und stand auf der anderen Seite,
um sie herabzuheben.
»Ich komme
ganz gut selbst hinüber, Sir«, sagte Carina.
Aber er gab
sich den Anschein, nichts gehört zu haben. Er hielt beide Arme auf.
Sie legte
ganz zurückhaltend ihre Hände in die seinen und wollte hinunterspringen.
Er zog sie
zu sich hinunter, so daß sie in seine ausgebreiteten Arme fiel.
O
verräterischer, abscheulicher Körper, der so viel Lust empfand, daß man
verging!
Carina
befreite sich und lief fast vor ihm, so lautlos wie eine Katze, die Straße
hinunter.
Er holte
sie ein. Sie schaute zu ihm auf und erschrak über die berechnende Intelligenz,
die sich in seinem Gesicht spiegelte. Doch mußte dies dem Mondlicht
zuzuschreiben sein, denn im nächsten Moment sahen seine hübschen Züge so leer,
dumm und gutgelaunt wie immer aus.
Der Vikar
begegnete ihnen am Tor. »Ja, ja«, sagte er und rieb sich die Hände. »Das sehe
ich gerne.«
Carina
schob sich an ihm vorbei und rannte ins Haus.
An diesem
Abend weinte sie sich in den Schlaf.
Der Tag,
an dem das
Gartenfest stattfinden sollte, ließ sich hell und sonnig an. Carinas Aufregung
hatte die anderen Mädchen angesteckt, die sehr erregt waren, als sie endlich
aufbrachen.
Lord Harry
hatte seine eigene Kutsche, und alle nahmen an, daß er mit Carina fuhr, aber
Carina wollte nicht in seiner Begleitung erscheinen. Sie wollte, daß Guy sie
allein, ungebunden und unabhängig sähe. Und so überredete sie Daphne dazu, in
Lord Harrys eleganter zweisitziger Kutsche Platz zu nehmen, und Daphne war nur
zu gern bereit.
Carina trug
ein jadegrünes Seidenkleid mit einem Umhang in derselben Farbe. Ein reizender
Strohhut à la Schäferin verdeckte ihre roten Locken keineswegs. Ihre Füße
schmückten römische Sandalen. Die Luft war beißend kalt, obwohl eine strahlende
Sonne schien.
Sie
wünschte bereits, sie hätte sich zu etwas Wollenem entschlossen. Was nützte
das vorteilhafteste Kleid, wenn die Nase vor Kälte rot war!
Sir Edwin
hatte seine sämtlichen Pächter ebenso eingeladen wie die feinen Leute der
Gegend. Carina war ganz überrascht, als sie John Summer sah, der mit einem
Heuwagen voller Holz undPlanen
hinter der Familienkutsche
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