Carina - sTdH 3
herfuhr.
Der Grund
dafür war, daß der Vikar meinte, Gartenfeste müßten irgendeinem guten Zweck
dienen, und was konnte es für einen besseren Zweck geben als die Renovierung
des Kirchendaches.
Eine Bude
war schnell errichtet, ein Plakat, das um Spenden bat, davor aufgestellt und
die schöne Daphne dahinter postiert.
Nie zuvor
hatte Carina ihre Schwester so zornig gesehen.
Sir Edwin und
Lady Edwin schwebten herbei und trennten Lord Harry geschickt von den anderen,
um ihn zu ihren kichernden Töchtern, Josephine und Emily, zu lotsen.
Josephine
und Emily trugen die gleichen Kleider aus schreiend buntem Schottenstoff. Dazu
hatten sie riesige Schutenhüte auf, deren Krempen ihr Kichern so widerhallen
ließ, als ob es vom Ende eines Tunnels käme.
Auf der
einen Seite des Rasens wurde ein ganzer Ochse gebraten, und auf der anderen
tanzte das Landvolk unlustig um einen Maibaum. Die Leute trugen
elisabethanische Kostüme, die ihnen Lady Edwin aufgezwungen hatte.
Sir Edwin
rühmte sich, ein guter Landlord zu sein und auch der Tatsache, daß kein
einziger Pächter – soviel man wußte – je verhungert war. Natürlich waren
manche geradezu peinlich mager, aber Sir Edwin betonte immer, daß das
Veranlagung sei.
Carina
hielt sich, so gut es ging, aus der Menge heraus. Sie schaute nach Guy, dem sie
von ihrem Kummer erzählen und ihn bitten wollte, mit ihr durchzubrennen.
Lord Harry
war scheinbar restlos glücklich, Josephine und Emily unterhalten zu können.
Ganz
plötzlich sah Carina Guy mit Lady Wentwater am Arm den Rasen von der Südseite
betreten.
Aber
gleichzeitig entstand ein großes Durcheinander, weil Lady Edwin die Gäste an
die langen Tische bat, die in der Mitte des vorderen Rasens aufgebaut waren.
Mrs.
Armitage tauchte auf: »Du mußt mir helfen, Carina«, sagte sie wehleidig.
»Dieser schreckliche Geruch nach gebratenem Fleisch macht mich ganz krank. Sei
ein liebes Mädchen und finde heraus, wo wir sitzen sollen, sonst werde ich noch
ohnmächtig.«
»Ich habe
es herausgefunden, Madam«, sagte Lord Harry, der gerade an ihrer Seite
auftauchte. Er sah wieder vollendet aus in blauem Frack, weißer Weste und
biskuitfarbener Hose. »Erlauben Sie mir, Sie zu geleiten.«
Er streckte
beide Arme aus. Carina biß sich auf die Lippen und schaute zu Guy hinüber, der
sich gerade vor Lady Edwin verbeugte. Nicht ein einzige Mal schaute er zu ihr
hin.
Und Carina
wartete doch so sehnsüchtig darauf, daß sie mit ihm sprechen und seinen
beruhigenden Händedruck fühlen konnte; und sie wollte ihn lächeln sehen.
Er konnte
es ganz gewiß nicht mit Lord Harry aufnehmen, aber gerade das machte Guy
Wentwater in ihren Augen anziehender als je zuvor. Wirklich, Miss Carina
Armitage fand Lord Harry Desire immer abstoßender.
Nein, sie
wolle nicht von der Wildpastete, schnauzte sie ihn an, den Tränen nahe.
Josephine
hatte ihren Platz auf der anderen Seite von Lord Harry und war fest
entschlossen, die Situation weidlich auszunützen.
Guy saß ein
wenig weiter unten am Tisch neben Emily. Er lachte und neckte sie. Carina
konnte Emilys Gesicht wegen der großen Schleife an ihrem Hut nicht sehen, aber
das Gekicher und Gekreische, das unter dem Strohhut hervorkam, bewies, daß sie
sehr erfreut war über die Beachtung, die man ihr schenkte.
Und so nahm
das nicht enden wollende Mahl seinen Fortgang und ging weiter und weiter.
Wind kam
auf. Vor die Sonne schoben sich kleine Wolken; Tau legte sich auf das Gras, und
die Feuchtigkeit drang durch die dünnen Sohlen von Carinas Sandalen.
Sie
schielte immer wieder ängstlich auf ihre Nasenspitze, um zu sehen, ob diese
schon vor Kälte rot anlief, und Lord Harry strahlte sie an und fragte, ob sie
an einer plötzlichen Verdauungsstörung leide.
Endlich
erhob sich der Gutsverwalter und brachte einen Toast zu Ehren des Gutsherrn
aus, und die Bauern ließen pflichtschuldigein
dürftiges Hurra ertönen. Viele hatten heimlich soviel Essen wie möglich auf die
Seite gebracht.
Carina
beneidete den Squire, dessen indischer Diener hinter ihm mit Decken im Arm
stand, und auf ein Zeichen seines Herrn diesem eine nach der anderen um die
hageren Schultern legte.
Daphne
hustete und nieste bereits. Sie war in einem Gedicht aus indischem Musselin in
zartestem Rosa auf das Gartenfest gekommen. Ihre erzwungene Untätigkeit am
Wohltätigkeitsstand der Familie hatte ihr eine solche Gänsehaut verschafft,
daß man den Eindruck hatte, sie würde sie nie wieder los, so blau und rot
gefroren sah sie aus.
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