Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Wasser und schüttete den Inhalt eines Beutelchens Samarin hinein.
»Der Chauffeur war da, nun sind beide Tiefkühlschränke leer, Karl-Johan. Du kannst sie also wieder füllen.«
Curt lächelte seinen Schüler an, denn die Ermunterung war überflüssig. Henriksen war womöglich noch effektiver als Curt es je gewesen war.
»Ja, es geht auch gleich wieder los. Ich habe heute noch drei Abtreibungen auf dem Zettel. Zwei reguläre und eine andere.« Henriksen erwiderte das Lächeln, während er zusah, wie das Magenpulver im Wasserglas aufschäumte.
»Und wer ist besagte Patientin?«
»Eine Somalierin aus Tåstrupgård, überwiesen von Bent Lyngsøe. Zwillingsschwangerschaft, hab ich mir sagen lassen.« Er zog die Augenbrauen hoch und trank.
Karl-Johan Henriksen war wahrlich ein guter Mann. Sowohl für die Partei als auch für die praktische Arbeit beim Geheimen Kampf.
»Geht es dir heute nicht gut, meine Schöne?«, fragte er vorsichtig, als er mit dem Tablett ins Wohnzimmer trat.
Inzwischen waren mehr als zehn Jahre vergangen, seit Beate hatte antworten können, aber sie konnte lächeln. Auch wenn sie so ungeheuer zart geworden war und auch wenn die Schönheit der Jugend und ihr Geist sie längst verlassen hatten, mochte Curt den Gedanken nicht zu Ende denken, dass er eines Tages, ja vermutlich sehr bald, ohne sie würde weiterleben müssen.
Möge sie den Tag noch erleben, an dem wir ihren Namen am Rednerpult im Folketing nennen und unsere Dankbarkeit für ihre Bemühungen ausdrücken können, dachte er und nahm ihre federleichte Hand in seine.
Als er sich vorbeugte und sie behutsam küsste, spürte er, wie ihre Hand in seiner leicht zitterte. Mehr brauchte er nicht.
»Hier, mein Schatz«, sagte er und führte die Tasse an ihre Lippen, dabei pustete er sanft über die Oberfläche der Flüssigkeit. »Nicht zu heiß und nicht zu kalt. So, wie du es gern magst.«
Sie spitzte die eingefallenen Lippen, die ihn und die beiden Söhne so liebevoll geküsst hatten, und trank dann langsam und lautlos. An ihren Augen konnte er ablesen, dass der Kaffee gut war. Diese Augen, die so viel gesehen hatten und in die sich sein Blick versenkt hatte, wenn ihm das eine oder andere seltene Mal Zweifel gekommen waren.
»Ich muss nachher noch zum Fernsehen, Beate. Zusammen mit Lønberg und Caspersen. Sie wollen uns festnageln, aber das wird ihnen nicht gelingen. Im Gegenteil: Wir werden heute die Früchte jahrzehntelanger Arbeit ernten und Stimmen sammeln, Beate. Viele Stimmen von Menschen, die so denken wie wir. Sollen uns die Journalisten doch für drei alte Knacker halten.« Er lachte. »Na, das sind wir ja auch. Sie werden glauben, dass wir nicht mehr ganz klar im Kopf sind. Dass sie uns kriegen können, weil wir Unsinn reden, unzusammenhängendes Zeug.« Er strich ihr übers Haar. »Ich schalte den Fernseher ein, dann kannst du es verfolgen.«
Jakob Ramberger war ein fähiger Journalist und gut vorbereitet. Alles andere wäre auch wenig ratsam gewesen, insbesondere nach der Kritik, den Interviews fehle es in letzter Zeit an Biss. Ein kluger Journalist fürchtete die Fernsehzuschauer mehr als den Arbeitgeber, und Ramberger war klug. Er hatte Spitzenpolitiker in aller Öffentlichkeit förmlich aufgespießt und ebenso furchtlos Bonzen, verantwortungslose Manager, Hooligans, Mitglieder von Rockerbanden und Kriminelle bloßgestellt.
Deshalb war Curt so begeistert, dass Ramberger sie interviewen sollte. Denn diesmal würde es Ramberger nicht gelingen, seine Gesprächspartner aufzuspießen, und das würde Aufmerksamkeit erregen im kleinen Königreich Dänemark.
Ramberger und seine Interviewpartner begrüßten sich höflich in einem Raum, in dem seine Kollegen bereits die nächste Nachrichtensendung vorbereiteten. Aber kaum war das Händeschütteln erledigt, stand jeder von ihnen im Schützengraben. Angespannt gingen sie ins Studio hinüber.
»Sie haben dem Innenministerium kürzlich mitgeteilt, Klare Grenzen habe genug Unterschriften gesammelt, um zur nächsten Parlamentswahl antreten zu können«, eröffnete der Journalist nach einer kurzen und nicht besonders schmeichelhaften Vorstellungsrunde das Gespräch. »Dazu muss ich wohl gratulieren, aber im gleichen Atemzug will ich doch fragen, was die Partei Klare Grenzen dem dänischen Wähler Ihrer Meinung nach zu bieten hat - über das hinaus, was ihm die existierenden Parteien bereits bieten.«
» Dem dänischen Wähler? Sie benutzen die männliche Form? Dabei wissen Sie doch
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