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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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er. Wie schnell sie jetzt die Augen schloss. Kaum dass ihr Kopf auf dem Kissen lag.
    »Ich sehe schon, meine Geliebte. Das Leben verebbt langsam.«
    Als er wieder unten im Wohnzimmer stand, schaltete er den Fernseher aus, ging hinüber zur Anrichte und schenkte sich einen Cognac ein.
    »In zehn Jahren lebe ich noch, Beate. Das verspreche ich dir«, murmelte er. »Ehe wir uns Wiedersehen, werde ich all unsere Visionen eingelöst haben. Niemand, Liebes, niemand wird mich daran hindern können.«
    Er nickte und leerte das Glas in einem Zug.

3
    November 1985
    A ls Erstes registrierte sie den Fremdkörper in der Nase. Und dann die Stimmen über ihr. Gedämpft zwar, aber klar und deutlich. Hell und sanft.
    Die Augen hinter den geschlossenen Lidern rollten, als suchten sie nach einem Winkel, in dem größere Erkenntnis zu finden sei. Dann nickte sie wieder ein, stahl sich davon in die Dunkelheit, zu ruhigen Atemzügen. Erhaschte Bilder von sommerhellen Tagen und unbekümmerten Spielen.
    Wie aus heiterem Himmel traf sie der Schmerz in der Mitte der Wirbelsäule und brandete in einer gewaltigen Krampfwelle durch ihren Unterleib.
    Mit einem Ruck flog ihr Kopf nach hinten.
    »Wir geben ihr fünf Strich mehr«, sagte die Stimme, die sich sogleich wie in einem Nebel entfernte und sie wieder in derselben Leere wie zuvor zurückließ.

    Nete war ein Wunschkind gewesen. Ein geliebtes Nesthäkchen und das einzige Mädchen in einer Schar von Kindern, der es trotz ärmlicher Verhältnisse an nichts fehlte.
    Ihre Mutter hatte sanfte und flinke Hände, Hände, die streichelten und die Hausarbeit erledigten. Nete wurde ihr Spiegelbild. Ein kesses kleines Mädchen, das hübsche Kleidchen trug und bei allem mitmachte, was sich auf dem Bauernhof rührte.
    Sie war vier, als ihr Vater lächelnd einen Hengst auf den Hof zog und ihr ältester Bruder die Stute über die Pflastersteine führte.
    Als das Glied des Hengstes zu zittern begann, lachten die Zwillingsbrüder, aber Nete trat unwillkürlich einen Schritt zurück, während das große Tier ihre geliebte Molly bestieg und den Unterleib auf sie presste.
    Nete wollte rufen, dass sie aufhören sollten. Ihr Vater lachte nur und sagte, nun werde es nicht mehr lange dauern und sie würden um ein Zugtier reicher sein.
    Nete begriff rasch, dass der Anfang des Lebens oft genauso dramatisch sein konnte wie das Ende und dass die Kunst darin bestand, alles, was einem zwischen diesen beiden Punkten begegnete, so gut es ging zu genießen.
    »Das hatte doch ein gutes Leben«, sagte ihr Vater jedes Mal, wenn er einem zappelnden Schwein mit dem scharfen langen Messer in den Hals stach. Und dasselbe sagte er auch von Netes Mutter, als sie in ihrem Sarg lag, gerade mal achtunddreißig Jahre alt.
    Mit diesen Worten im Kopf kam Nete schließlich im Krankenhausbett zu sich. Verwirrt sah sie sich um.
    Es war dunkel. Ringsum blinkende Lichter, summende Maschinen. Nichts, was sie wiedererkannte.
    Da drehte sie sich um. Allerdings nur halb, der Effekt jedoch überrumpelte sie vollständig. Ruckartig warf sie ihren Kopf in den Nacken, die Lungen weiteten sich und die Stimmbänder explodierten.
    Dass sie selbst es war, die so schrie, erfasste sie nicht, denn die Schmerzen in den Beinen überstrahlten alles. Aber die Schreie hörte sie.
    Eine Tür wurde aufgerissen, gedämpftes Licht glitt über ihren Körper und dann war alles nur noch gleißende Helligkeit, die wie eine kaputte Leuchtstoffröhre flackerte, und resolute Hände, die sich an ihrem Körper zu schaffen machten.
    »Bleiben Sie ganz ruhig, Frau Rosen«, sagte eine Stimme, sogleich kamen beschwichtigende Worte, gefolgt von der Kanüle. Aber dieses Mal verschwand sie nicht wieder.
    »Wo bin ich?«, fragte sie, als zittrige Wärme durch den unteren Teil ihres Körpers strömte und ihn davonfließen ließ.
    »Sie sind im Krankenhaus in Nykøbing Falster, Frau Rosen. Und Sie sind in guten Händen.«
    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Krankenschwester ihrem Kollegen den Kopf zuwandte und die Augenbrauen hob.
    In diesem Augenblick wusste sie, was geschehen war.

    Sie entfernten den Sauerstoffschlauch aus ihrer Nase und kämmten ihr die Haare zurück. Als wollte man sie fein machen, bevor das abschließende Urteil verkündet wurde, das Urteil, dass das Leben nun nämlich vorbei sei.
    Während ihr der Oberarzt mit den grauen Augen und den gestutzten Augenbrauen die Botschaft überbrachte, standen drei Ärzte am Fußende ihres Betts. »Frau Rosen, Ihr Mann war auf

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