Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Zuschauer das Wort, die ihrerseits die unterschiedlichsten Themen aufgriffen: Zwangssterilisation von Kriminellen und von Menschen, die sich nicht um ihren Nachwuchs kümmerten, sei es aus psychischen Gründen oder weil sie geistig minderbemittelt waren. Soziale Einschnitte, infolge derer kinderreichen Familien eine Reihe von Zuschüssen entzogen würde. Kriminalisierung der Kunden von Prostituierten. Einwanderungsstopp für Menschen ohne Ausbildung und vieles andere mehr.
Die Debatte wurde hitzig. Einige Anrufer waren ungewöhnlich aufgebracht, andere blieben ruhig und sachlich.
Die Sendung war Gold wert gewesen, da waren sich Wad, Lønberg und Caspersen einig, als sie das Studio verließen.
»Menschen mit unserer Stärke und Überzeugung werden in Zukunft das Sagen haben«, frohlockte Caspersen auf der Rückfahrt.
»Tja, aber alles ist im Fluss«, entgegnete Lønberg. »Lasst uns hoffen, dass wir heute eine gute Fährte ausgelegt haben.«
»Das haben wir«, lachte Caspersen. »Curt, du hast auf jeden Fall ein Zeichen gesetzt.«
Curt wusste, worauf sein Parteifreund anspielte. Der Journalist hatte ihn gefragt, ob es etwa nicht stimme, dass er im Laufe der Jahre in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei. Curt war wütend geworden, hatte es aber nicht gezeigt. Stattdessen hatte er geantwortet, dass jeder Arzt, der mit fähigen Händen und einem klugen Kopf gesegnet sei, irgendwann in seiner Laufbahn zwangsläufig mit gewissen ethischen Grundregeln in Konflikt gerate - und wenn nicht, dann sei er es auch nicht wert, Gottes verlängerter Arm zu sein.
Lønberg lächelte. »Ja, da war Ramberger wirklich baff.«
Wad erwiderte das Lächeln nicht. »Meine Antwort war dumm. Ich hatte nur Glück, dass er nicht auf Einzelfälle eingegangen ist. Wir müssen penibel verfolgen, was die herausfinden, das ist euch klar, oder? Wenn die Medien auch nur das geringste Futter bekommen, werden sie zur Hetzjagd blasen. Ihr müsst einfach davon ausgehen, dass wir außerhalb der eigenen Reihen keine Freunde haben. Unsere Situation heute ist die gleiche wie die der Aufschwungpartei und der Dänemarkpartei damals, als die noch niemand für voll nahm. Wir können nur hoffen, dass Presse und Politik uns für unsere Konsolidierung genauso viel Zeit lassen wie den anderen beiden Parteien damals.«
Caspersen runzelte die Stirn. »Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir bei der nächsten Wahl ins Folketing kommen. Jeder Trick ist erlaubt. Aber ihr wisst, was ich meine. Wenn wir unsere praktische Arbeit im Geheimen Kampf dafür opfern müssen, ist es das wert.«
Wad sah ihn an. In jeder Gruppe gab es einen Judas. Caspersen hatte durch seine Arbeit als Rechtsanwalt und als Kommunalpolitiker jede Menge wertvolle Kontakte, er verfügte über große organisatorische Erfahrung und gehörte somit unbedingt in ihre Reihen. Aber sobald er anfangen würde, Silberlinge zu zählen, war er draußen. Dafür würde Wad schon sorgen.
Die Arbeit im Geheimen Kampf durfte niemand antasten, bevor er, Wad, nicht grünes Licht gab.
Beate saß wieder genau so vor dem Fernseher, wie er sie vor seiner Abfahrt hingesetzt hatte. Die Sozialhelferin hatte lediglich die Windeln gewechselt und ihr etwas zu trinken gegeben.
Er blieb stehen und betrachtete seine Frau aus einem gewissen Abstand. Das Licht des Kronleuchters fiel auf ihr Haar und brachte es zum Funkeln. Eine Leichtigkeit lag auf ihren Zügen, so wie damals, als sie zum ersten Mal für ihn getanzt hatte. Vielleicht träumte sie von einer anderen Zeit, als das Leben noch vielversprechend vor ihnen lag.
»Hast du die Sendung gesehen, mein Engel?«, fragte er leise, um sie nicht zu erschrecken.
Beate lächelte kurz, aber ihr Blick war weit weg. Er wusste es ja, die klaren Momente waren selten. Die Gehirnblutung hatte Beates Seele von dem Leben um sie herum abgeschnitten, aber trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie vielleicht doch ein bisschen mitbekommen hatte.
»Ich bringe dich jetzt ins Bett, Beate. Es ist spät geworden, viel später als sonst.«
Er hob die zarte Gestalt hoch. Damals, als sie jung waren, hatte er sie wie eine Schneeflocke hochgewirbelt. Dann hatte es Jahre gegeben, in denen seine Kräfte für die Korpulenz der reifen Frau nicht ausgereicht hatten. Aber nun trug er sie wieder in seinen Armen, als wäre sie ein Nichts.
Vielleicht sollte er froh sein, dass er das konnte. Aber das war er nicht. Und als er sie zu Bett brachte, zitterte
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