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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Peinigerin tröpfelte. »Aber schenk dir selbst noch mal ein.«
    Nete ignorierte den Ton. Wie oft hat sie uns so auf dieser Hölleninsel herumkommandiert, dachte sie. Deshalb stellte sie die gefüllte Teetasse einfach an Gittes Platz und nahm sich selbst dann auch. Inzwischen hatte sie Ohrensausen, eine Folge der Migräne und des damit einhergehenden Bluthochdrucks. Schon allein der Geruch des Tees verursachte ihr Übelkeit.
    »Können wir die Plätze tauschen, Gitte?« Sie hatte wieder das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. »Ich habe schreckliche Migräne und kann einfach nicht mit dem Gesicht zum Fenster sitzen.«
    »Ach Herrgott, das ist es«, sagte Gitte und stand auf, während Nete die Tassen auf dem Tisch verschob.
    »Ich kann gerade nicht sprechen, ich muss einen Moment die Augen schließen.«
    Sie tauschten die Plätze und Nete schloss die Augen. Fieberhaft versuchte sie, sich etwas einfallen zu lassen. Falls Gitte den Tee nicht trank, musste eben der Hammer noch einmal zum Einsatz kommen. Sie würde ihr eine Tasse Kaffee anbieten, den Hammer holen, ihr damit auf den Schädel schlagen und dann in Ruhe den Kopfschmerz abflauen lassen. Natürlich würde mit dieser brachialen Methode einiges Blut fließen, aber was machte das schon? Gitte war ja die Letzte. Wenn alles vorbei war, hatte sie genügend Zeit, um den Teppich zu säubern.
    Sie hörte die Schritte, erschrak aber doch, als sie spürte, wie Gittes Hände ihren Oberkörper ein wenig drehten und sich auf ihren Nacken legten.
    »Halt still, Nete. Ich bin gut in diesen Dingen, nur deine Sitzposition ist ungünstig. Es wäre besser, du würdest dich auf den Stuhl setzen«, sagte die Stimme über ihr, während sich die Finger tief in ihre Nackenmuskulatur gruben.
    Sie hörte die Stimme, den Plauderton, aber die Worte verschwammen. Solche Berührungen kannte Nete von ihrem Mann, damals jedoch waren sie wunderbar sinnlich und wohltuend gewesen. Und nun hasste sie es, so angefasst zu werden.
    »Hör lieber auf«, sagte sie und entzog sich. »Sonst übergebe ich mich. Ich muss nur einen Moment sitzen. Ich habe schon eine Tablette genommen, die wird gleich wirken. Trink derweil deinen Tee, Gitte, und wenn dann der Anwalt kommt, reden wir über alles.«
    Für einen kurzen Moment öffnete Nete die Augen und sah, wie Gitte ihre Hände zurückzog, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. Dann merkte sie, dass Gitte um den Tisch ging und sich leise aufs Sofa setzte. Und nach einer Weile hörte sie auch das leise Klirren der Teetasse.
    Nete legte den Kopf in den Nacken und beobachtete durch halb geschlossene Lider, wie Gitte die Tasse zum Mund führte. Sie wirkte angespannt, unruhig. Schnupperte mit geblähten Nasenflügeln am Tee, trank einen Schluck, und dann hatte sie plötzlich diese weit aufgerissenen Augen, die Misstrauen und jähe Wachsamkeit ausdrückten. Ein paar Sekunden lang sah Gitte Nete prüfend an, dann roch sie erneut an ihrem Tee.
    Als sie die Tasse abstellte, öffnete Nete die Augen ganz.
    »Ah«, sagte sie und versuchte einzuschätzen, was in Gittes Kopf vorging. »Es fühlt sich schon besser an. Die Massage hat doch gutgetan, Gitte.«
    Steh auf, los, ab in die Küche und den Hammer holen!, wummerte es in ihr. Bring's endlich hinter dich! Und wenn du dann den Leichen Formalin in den Rachen gekippt hast, kannst du dich hinlegen.
    »Ich muss nur einen Schluck Wasser trinken.« Nete richtete sich vorsichtig auf. »Ich habe so einen trockenen Mund, weil ich diese ganze Medizin nehme.«
    »Dann trink doch einen Schluck Tee.« Gitte reichte ihr die Tasse.
    »Nein, so kalt mag ich ihn nicht. Ich setze rasch frischen auf. Der Anwalt muss auch jeden Moment kommen, denke ich.«
    Sie huschte in die Küche, öffnete den Schrank und bückte sich nach dem Hammer.
    In diesem Moment hörte sie Gittes Stimme hinter sich: »Wenn du mich fragst, Nete, so glaube ich nicht, dass es überhaupt einen Anwalt gibt.«

44
    November 2010
    D as Präsidium war wie ein gut geschmiertes Räderwerk, bei dem selbst Bewegungen der kleinsten Zahnräder im entferntesten Teil des Systems sofort registriert wurden. Oder wie ein Ameisenhaufen, in dem Signale auf unerklärliche Weise und mit unglaublicher Geschwindigkeit in sämtliche Verästelungen gelangten. Wenn Verhaftete über die Korridore zu flüchten versuchten, wenn Beweismaterial verschwand, wenn ein Mitarbeiter ernstlich erkrankte oder die Polizeipräsidentin Probleme mit Politikern hatte - sofort wussten es

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