Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
die Säume von Baks legendärer Lederjacke krachten.
»Bewahrt mich vor diesem schwarzen Idioten!«, schrie der Litauer, als Assad ihn schnappte und unsanft zu einer weiteren Tür ganz hinten in den Räumlichkeiten schob.
Der Litauer stieß eine Salve wüster Drohungen und Verwünschungen aus. Dass alle im Raum umgebracht würden, wenn sie nicht auf der Stelle abhauten. Dass ihre Mägen aufgeschlitzt und die Köpfe abgehackt würden. Drohungen, die ernst zu nehmen waren, wenn sie von einem Mann wie ihm kamen. Drohungen, die an sich schon reichten, um eingebuchtet zu werden.
Da packte Assad den Litauer so fest am Kragen, dass keinerlei Protest mehr aus dessen Hals drang. Assad trat die Tür zu dem Hinterzimmer auf und zog den Typen mit sich hinein.
Als die Tür durch einen weiteren Fußtritt Assads zugeknallt wurde, sahen Bak und Carl sich an.
»Assad, bring ihn ja nicht um!«, rief Carl sicherheitshalber.
Die Stille hinter der Tür war beunruhigend.
Bak lächelte, und Carl wusste, warum, denn nun waren ihm alle Möglichkeiten verwehrt. Kein Fuchteln mit der Pistole. Kein Anruf beim City Revier. Carl würde seinen Assistenten auf keinen Fall Problemen aussetzen, das wusste Bak.
»Ja, Carl, nun knurrst du.« Bak nickte bekräftigend, schob den Ärmel hoch und begutachtete die Schramme am Unterarm. Ein paar Stiche würden wohl nötig sein. Er zog ein ziemlich gebrauchtes Taschentuch aus der Hosentasche und verband damit die Wunde. Carl hätte das nicht getan, aber gut, es war nicht sein Arm. Bekam Bak eine Blutvergiftung, lernte er daraus vielleicht fürs nächste Mal.
»Komm schon, Carl, ich kenne doch deine Vergangenheit. Du und Anker, ihr wusstet besser als irgendwer, wie man die Drecksäcke zum Singen bringt. Ihr beide wart ein irres Paar. Wäre Hardy nicht zu euch gestoßen, wer weiß, ob es nicht mal schiefgegangen wäre. Komm jetzt bloß nicht an und tu so.«
Carl sah unverwandt zur Hintertür. Was zum Teufel machte Assad da? Dann wandte er sich Bak zu. »Du hast doch überhaupt keine Ahnung, Børge Bak. Woher nimmst du deine Vermutungen? Aber geh mal davon aus, dass du dich gewaltig irrst.«
»Ich hab mich ein bisschen umgehört. Es ist ein Wunder, dass du noch nie ein Disziplinarverfahren am Hals hattest. Aber eins muss man euch lassen, Carl, ihr wart echt gut darin, bei euren Verhören Ergebnisse zu erzielen. Na ja, vielleicht ja deshalb.« Er rollte den Ärmel herunter. »Ich will wieder zurück ins Präsidium. Und du sollst mir dabei helfen«, fuhr er fort. »Mir ist klar, dass Marcus dagegen ist, aber mir ist auch klar, dass dein Wort bei ihm Gewicht hat. Weiß der Geier, warum.«
Carl schüttelte den Kopf. Falls es ein angeborenes Gespür für Situationen gab, glänzte dieses Gen in Baks DNA-Spirale durch vollständige Abwesenheit.
Dann ging er ein paar Schritte zur Hintertür und riss sie auf.
Ihm bot sich ein ausgesprochen friedlicher Anblick. Der Litauer saß auf der Tischkante und sah Assad wie hypnotisiert an. Der Ausdruck seines bisher so wutverzerrten Gesichts war nun tiefernst. Das Blut war abgewaschen. Die Schultern waren nicht mehr hochgezogen.
Auf Assads Nicken hin stand der Litauer auf und ging, ohne sie anzusehen, an Bak und Carl vorbei. Wortlos griff er nach seiner Sporttasche, trat zu einem Schrank und zog eine Schublade auf. Er nahm Kleidungsstücke, Schuhe und ein kleineres Bündel Geldscheine heraus und warf alles in die Tasche.
Mit roter Nase und feuchten Hundeaugen stand Assad zwei Meter entfernt und sah dem Mann zu. Wahrhaftig kein Anblick, bei dem man sich vor Schreck in die Hose machte.
»Kann ich's jetzt kriegen?«, fragte der Litauer und deutete auf Assads Hand.
Zwei Fotos und eine Geldbörse wechselten die Hände.
Der Litauer öffnete die Geldbörse und sah die Fächer durch. Eine hübsche Stange Geld und viele Plastikkarten traten zutage.
»Und jetzt noch den Führerschein«, sagte er, aber Assad schüttelte den Kopf. Das hatten sie offenbar schon diskutiert.
»Dann bin ich also weg«, sagte der Litauer. Bak wollte protestieren, aber Assad schüttelte erneut den Kopf. Das hier erledigte er.
»Du hast dreißig Stunden und keine Sekunde mehr! Verstanden?«, sagte Assad ruhig, und der Litauer nickte.
»Hey Mann, was zum Teufel tust du da? Du wirst ihn doch nicht einfach laufen lassen!«, rief Bak aufgebracht, verstummte aber, als sich Assad umdrehte und unmissverständlich klarstellte: »Von nun an ist er mein Mann, Bak, siehst du das nicht? Vergiss ihn,
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