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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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für ihn selten etwas Gutes. Warum konnten die ihm die lumpigen paar Kronen nicht gönnen, die er sich dazuverdiente, indem er Reifen flickte, bei den Mopeds der Jungs die Zündkerzen abbürstete oder den Vergaser reinigte? Das begriff er nicht. Wäre es ihnen vielleicht lieber, dass er in Middelfart von der Stütze lebte oder wie die anderen Jungs, mit denen er zusammen soff, in Skårup-Strand die Sommerhäuser ausräumte?
    Er griff nach einer der Weinflaschen zwischen seinem Bett und dem Bierkasten, der ihm als Nachttisch diente, und checkte, ob er im Laufe der Nacht etwas in die Flasche gefüllt hatte. Dann hob er sie an den Schritt, pisste hinein, wischte die Hände am Bettzeug ab und erhob sich langsam. Allmählich war er es leid, dass diese Mette Schmall bei ihm wohnte, denn das Klo lag hinter ihrem Zimmer im eigentlichen Haus. Hier, wo er wohnte, in der Werkstatt vor dem Haus, waren die Bodenbretter verrottet und der Wind pfiff durch alle Ritzen. Und ehe man sichs versah, war schon wieder Winter.
    Er sah sich um. Spärlichst bekleidete Mädchen mit Wagenschmiere auf den Brüsten auf uralten Doppelseiten aus ›Ugens Rapport‹. Radnaben, Räder und Reste von Mopeds überall, der Betonfußboden voller Motorölflecken. Nicht wirklich ein Ort, auf den man stolz sein konnte, aber er gehörte ihm.
    Er langte mit der Hand nach oben und griff sich von dem kleinen Eckregal den Aschenbecher voller Zigarettenkippen. Er suchte sich die beste aus, zündete sie an und zog in aller Ruhe daran. Die Glut fraß sich durch die letzten zehn Millimeter vor seinen nach Motoröl stinkenden Fingern, dann drückte er die Kippe aus.
    Danach stieg er in die Unterhose und stakste über den kalten Fußboden zur Tür. Wenn er einen Schritt nach draußen tat, konnte er gerade so eben den Briefkasten erreichen, einen Kasten aus Spanplatten, dessen Deckel im Laufe der Jahre um das Doppelte aufgequollen war.
    Erst sah er gründlich die Straße rauf und runter. Niemand sollte sich beschweren, er würde mitten in Brenderup mit Hängebauch und graufleckiger Unterhose auf der Straße stehen, darauf hatte er keinen Bock. Bornierte Schnepfen, die den Anblick eines Mannes in den besten Jahren nicht ertrugen, sagte er immer zu den Jungs auf der Bank. Er benutzte dieses Wort irre gern. Borniert. Das klang so verdammt französisch.
    Überrascht stellte er fest, dass das Schreiben, das er aus dem Kasten holte, nicht in einem länglichen Fensterumschlag vom Finanzamt oder von der Gemeinde steckte, sondern in einem ganz gewöhnlichen weißen Umschlag mit einer Briefmarke in der Ecke. So einen Brief hatte er seit Urzeiten nicht mehr bekommen.
    Er richtete sich auf. Als könnte der Absender diesen denkwürdigen Augenblick beobachten oder als hätte der Brief selbst Augen und wäre imstande einzuschätzen, ob der Empfänger seiner Botschaft würdig war.
    Er kannte die Schrift nicht. Sein Name war mit zierlichen Schnörkeln geschrieben, die sich elegant vom Papier abhoben, und das gefiel ihm.
    Dann drehte er den Umschlag um und augenblicklich schoss ihm das Adrenalin durch die Adern. Wie ein Verliebter spürte er die Hitze in den Wangen, wie ein Gejagter riss er die Augen auf.
    Dieser Brief kam vollkommen unerwartet. Ein Brief von Nete. Von Nete Hermansen, seiner Cousine. Mit Adresse und allem. Nete, er hatte nicht geglaubt, dass er jemals wieder etwas von ihr hören würde. Und das aus gutem Grund.
    Er atmete tief durch und überlegte einen Moment, ob er den Brief einfach wieder in den Briefkasten stopfen sollte. Als wären Wind und Wetter und auch der Briefkasten selbst bereit und in der Lage, ihn zu verzehren. Ihn seinen Händen zu entreißen, sodass er sich gar nicht mit dessen Inhalt auseinanderzusetzen brauchte.

    Die Arbeit auf dem Hof des Vaters hatte Netes ältesten Bruder Mads gelehrt, dass es sich bei den Menschen nicht anders verhielt als bei allen übrigen Lebewesen: Man konnte sie in zwei Gruppen unterteilen, Männchen und Weibchen. Mehr brauchte man nicht zu wissen, alles andere erklärte sich wie von selbst daraus, das hatte Mads schnell erkannt. Die Arbeitswelt, Kriege, Kindererziehung, der häusliche Bereich - alles war so eingerichtet, dass sich entweder der eine oder der andere Teil der Menschheit darum kümmerte.
    Deshalb versammelte Mads eines Tages seine jüngeren Geschwister und den Cousin um sich auf dem Hof, zog seine Hose herunter und deutete auf sein Glied.
    »Wenn man so eins hat, gehört man zur einen Sorte. Und wenn man an der

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