Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
aufbäumte.
»Au!«, schrie sie, als er sich zurückzog, nur um noch härter zuzustoßen, immer wieder, wobei er ihre Knie festhielt, sodass sie weder die Beine anziehen noch sich winden konnte. Er sagte nichts, starrte nur mit aufgerissenen Augen zwischen ihre Beine.
Sie wollte schreien, aber ihr Hals war wie zugeschnürt. Schließlich fiel er mit seinem ganzen Gewicht auf sie, das Gesicht direkt über ihrem. Seine Augen waren matt und wie tot. Das war überhaupt nicht schön gewesen, überhaupt nicht so wie mit Tage oder Viggo. Allein schon sein Geruch verursachte ihr Übelkeit.
Es dauerte nicht lange, bis sie sah, wie sich seine halb geschlossenen Augen öffneten und er an die Decke starrte. Und dann brüllte er.
Anschließend knöpfte er sich die Hose zu und streichelte langsam ihren wunden, glitschigen Schoß.
»Jetzt bist du bereit«, sagte er. »So macht man das.«
Nete biss sich auf die Unterlippe. In dieser Sekunde setzte sich die Scham in ihr fest, um sie nie mehr zu verlassen. Sie hatte das Gefühl, dass Körper und Gedanken auf einmal getrennte Dinge waren, die sich gegeneinander ausspielen ließen. Und sie fühlte sich elend und zornig und sehr, sehr einsam.
Sie sah, wie er die Narkosemaske vorbereitete, und dachte, dass sie hier wegmüsse. Aber da stieg ihr schon der süßliche Äthergeruch in die Nase, und während sie eindöste, nahm sie sich vor, wenn sie das hier überleben würde, von ihren letzten zehn Kronen eine Bahnfahrkarte nach Odense zu kaufen. Dort würde sie sich zu dem Haus durchfragen, das »Mütterhilfe« genannt wurde. Sie hatte gehört, dass man dort solchen Mädchen wie ihr Hilfe anbot. Und dann dachte sie noch, dass Curt Wad für das, was er gerade getan hatte, würde büßen müssen.
Damit war der Grundstein für eine lebenslange Katastrophe gelegt.
Die nächsten Tage hatten eine Niederlage nach der anderen mit sich gebracht. Die Frauen bei der Mütterhilfe waren anfangs zwar sehr entgegenkommend gewesen, sie boten ihr Tee an, nahmen sie bei der Hand und schienen ihr wirklich helfen zu wollen. Aber als sie ihnen dann von der Vergewaltigung erzählte, dem anschließenden Schwangerschaftsabbruch und dem Geld, das sie bezahlt hatte, wurden ihre Gesichter auf einmal sehr ernst.
»Zunächst einmal musst du dir darüber im Klaren sein, dass du hier sehr ernste Vorwürfe vorbringst, Nete. Und dann verstehen wir auch nicht ganz, warum du zuerst einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt und dann zu uns kommst. Das Ganze macht einen verkehrten Eindruck, und wir sind gezwungen, die Geschichte an die Behörden weiterzuleiten, das musst du verstehen. Wir dürfen nur das tun, was gesetzlich ist.«
Nete überlegte, ob sie ihnen sagen sollte, dass ihre Pflegefamilie das alles veranlasst habe. Mit der Begründung, dass ein Mädchen, das ihrer Obhut anvertraut sei, mit ihrem unsittlichen Leben auf keinen Fall ein schlechtes Vorbild für die eigenen Kinder und die Mägde und Knechte des Hofs abgeben solle. Aber Nete sagte nichts davon, so loyal war sie ihrer Pflegefamilie gegenüber dann doch. Allerdings wurde ihr diese Loyalität nicht gedankt, wie sich später zeigen sollte.
Kurz darauf erschienen zwei uniformierte Polizisten im Büro und baten sie, ihnen zu folgen. Sie sollte auf der Polizeiwache eine Erklärung abgeben, aber zuerst fuhren sie mit ihr ins Krankenhaus, wo untersucht werden sollte, ob an ihren Behauptungen etwas dran sei.
Wenn das alles überstanden war, hieß es, könnte sie in der Stadt unter Aufsicht der Mütterhilfe übernachten.
Sie wurde gründlich untersucht, und tatsächlich stellte sich heraus, dass es einen früheren gynäkologischen Eingriff gegeben hatte. Männer in Kitteln steckten den Finger in sie, und Frauen mit Krankenschwesterntracht wischten sie anschließend ab.
Die entscheidende Frage wurde gestellt, und als sie ehrlich antwortete, wurden die Gesichter ernst und das Flüstern in der Ecke klang auf einmal besorgt.
Deshalb war sie auch davon überzeugt, dass die Ärzte und Krankenschwestern auf ihrer Seite waren. Und deshalb fuhr ihr der Schreck umso mehr in die Glieder, als sie in den Vernehmungsräumen der Polizeiwache einem freien und lächelnden Curt Wad begegnete. Anscheinend hatte er mit den beiden uniformierten Polizisten in gelöster Atmosphäre geredet, und anscheinend war der Mann an seiner Seite, der sich als Philip Nørvig und Anwalt vorstellte, gekommen, um ihr das Leben schwer zu machen.
Sie baten Nete, Platz zu nehmen, und
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