Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)
Quer über seinem Rücken hängt ein riesiger, olivfarbener Seesack, in der linken Hand trägt er einen Gitarrenkoffer, rechts einen Kofferverstärker und unter seinem Arm klemmt sein unvermeidlicher Fotoapparat, ohne den er nirgendwo hingeht.
Carlotta verzeiht ihm auf der Stelle.
„Soll ich vielleicht deine Kamera nehmen?“, fragt sie.
Er schüttelt den Kopf. „Nee, danke. Geht schon.“
Seite an Seite stapfen sie über den Schlossplatz und anschließend die breite Allee hinunter, die bis zur Straße führt. Vor ihnen laufen Grüppchen von Mitschülern, die ebenfalls mit dem Bus nach Hause fahren. Carlotta kennt einige vom Sehen. Von Sofie und Manu hat sie sich schon beim Mittagessen verabschiedet. Sofie verbringt das Wochenende im Internat. Manu ist von ihrer Tante abgeholt worden, bei der sie bis Sonntag bleibt.
Weil Niko nichts mehr sagt, schweigt Carlotta ebenfalls. Was soll sie auch sagen? Soll sie sich mit ihm etwa über das Wetter unterhalten? Worüber spricht man mit einem fünfzehnjährigen Jungen?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, merkt sie. Sie hat bisher keine Erfahrung im Umgang mit älteren Jungs, sondern nur mit den gleichaltrigen aus ihrer Klasse. Okay, Jonas ist ein Jahr älter als sie, aber das ist was anderes und zählt nicht. Erstens sieht sie ihn nur in ihrer Freizeit und zweitens ist er ein total unkomplizierter Typ. Gegen den ist Nikolas fast schon erwachsen. Jedenfalls wirkt er manchmal so. Und groß ist er auch, stellt Carlotta fest, als sie neben ihm hergeht. War das immer schon so oder ist das erst vor kurzem passiert?
Der Bus wartet mit laufendem Motor an der Haltestelle. Der Fahrer steht daneben und winkt ungeduldig.
Carlotta und Niko legen die letzten Meter im Laufschritt zurück. Vollkommen außer Puste werfen sie ihr Gepäck in die offene Gepäckklappe und sich selbst wenig später auf zwei freie Plätze im hinteren Teil des Busses. Niko hebt seine Kamera vors Gesicht und macht einen Schnappschuss von Carlotta.
„Hey!“, protestiert sie lachend. „Fotografieren verboten!“
„Echt?“ Er macht ein unschuldiges Gesicht.
Carlotta schüttelt lächelnd den Kopf und schaut aus dem Busfenster. Nikolas hat sie schon einmal mit seiner Kamera überrascht. Anscheinend ist es eine Angewohnheit von ihm, alles spontan festhalten zu müssen.
Als die Türen sich schließen und der Bus anfährt, lehnt sie ihren Kopf gegen die Scheibe. Es ist schön, neben Niko zu sitzen. Es fühlt sich an, als würden sie zusammen irgendwo hinfahren. In den Urlaub vielleicht. In irgendein Abenteuer. Und nicht nur bis in die nächste Kreisstadt.
„Besuchst du deine Eltern?“ Niko zieht eine Flasche Cola aus einer ausgebeulten Tasche seiner Cargohose und dreht sie vorsichtig auf. Leise zischend steigt die Kohlensäure in den Flaschenhals.
„Meine Eltern sind geschieden“, sagt Carlotta. „Ich fahr zu meiner Mutter. Sie ist wieder verheiratet und hat eine neue Familie. Und mein Vater hat neuerdings eine heimliche Freundin. Glaub ich jedenfalls.“
Upps … Was war das denn? Hat sie das gerade gesagt? Zu einem Jungen, den sie kaum kennt? Nicht mal mit Manu und Sofie hat sie noch einmal über den Verdacht gesprochen, ihr Vater könnte frisch verliebt sein! Bei all dem Schulstress und Tanzenlernen war einfach keine passende Gelegenheit dazu. Außerdem will sie zuerst ganz sicher sein, dass ihr Paps wirklich ernsthaft flirtet. Mit einer Holländerin, die ihn sehr vertraut Schätzchen nennt …
„Und?“, fragt Niko. „Stört dich das?“
Er hält ihr die Flasche hin. Carlotta trinkt einen Schluck. Die Cola ist total aufgeschäumt. Das Prickeln steigt ihr bis in die Nase. Aber es schmeckt süß und lecker.
„Ich weiß nicht“, antwortet sie zögernd. „Ich finde, er hätte es mir sagen müssen, wenn es da jemanden gäbe.“
„Vielleicht traut er sich nicht.“ Niko nimmt die Flasche zurück. „Oder er ist sich selbst noch nicht sicher. Manchmal ist das nicht so einfach mit der Liebe.“
Für einen kurzen Moment berühren sich ihre Finger. Carlotta schaut auf. Niko lächelt. Seine Nugataugen haben einen warmen Glanz. Sie hat das Gefühl, darin zu versinken wie in einem Teich aus geschmolzener Schokolade. Es fühlt sich unglaublich gut an.
Er ist anders als die anderen Jungs, denkt sie, als sie ihren Blick endlich lösen kann und wieder aus dem Fenster schaut. Nachdenklicher und ernster. Erfahrener und vernünftiger auch irgendwie. Obwohl er so verrückte Sachen macht
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