Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)
richtige Größe?“ Frau Prinz-Mohr stellt ihre Kaffeetasse ab und mustert das Harlekin-Kleid kritisch.
„Keine Ahnung“, gibt Carlotta zu. „Darauf hab ich gar nicht geachtet.“
Nachdem ihre persönliche Einkaufsberaterin sich davon überzeugt hat, dass die Größe passen müsste, verschwindet Carlotta mit dem Kleid in einer Umkleidekabine. Der Stoff raschelt beim Anziehen. Und es ist ungewohnt, dass das Oberteil keine Träger hat. Die schulterfreie Corsage schmiegt sich wie ein leichter Panzer um ihren Oberkörper. Carlotta betrachtet sich in dem schmalen Spiegel und ist sehr zufrieden mit dem, was sie sieht. Ein bisschen fremd wirkt es schon, klar. Außerdem könnte man meinen, ihr wäre plötzlich ein Busen gewachsen. Ziemlich erstaunlich. Aber insgesamt nicht übel.
„Dies oder keins“, wiederholt sie leise. „Wenn es ein Kleid gibt, das irgendein unbekannter Designer für mich gemacht hat, dann dieses hier. Niko wird Augen machen!“
Niko? Moment mal … Wie kommt sie denn jetzt auf den? Verwirrt schüttelt sie den Kopf und zieht den Vorhang zurück, um sich den prüfenden Blicken ihrer Mutter und Beatrices zu präsentieren.
Erst am späten Nachmittag kehren sie nach Hause zurück, schwer bepackt mit einem Kleidersack der Marke Harlekin, mehreren Tüten und einer schicken Einkaufstasche, aus der ein Schuhkarton lugt. Daran, dass sie nicht nur ein Kleid, sondern auch noch passende Unterwäsche, Strümpfe und Schuhe braucht, hat Carlotta vorher natürlich nicht gedacht. Hätte sie es getan, hätte sie sich lieber rechtzeitig ein ärztliches Attest geholt, als den halben Tag zwischen all den Rüschen, Pailletten und Schleifchen zu verbringen. Aber es hat sich gelohnt. Ihr Ball-Outfit ist vollständig. Und es rockt!
Überglücklich fällt sie ihrer Mutter um den Hals und bedankt sich.
Ihre Mutter strahlt. Im Gegensatz zu Carlotta hat sie das Shoppen sehr genossen und ist kein bisschen müde. Sie will sogar noch die Waschmaschine mit Carlottas schmutziger Wäsche anwerfen! Carlotta fragt sich, woher sie die ganze Energie nimmt und warum sie selbst anscheinend nur so wenig davon geerbt hat. Sie lässt sich auf das schneeweiße Designersofa im Wohnzimmer fallen und streckt alle viere von sich. Sie fühlt sich wie nach einem Waldlauf mit dem Spargel.
„Was für ein Stress!“, schnauft sie, während ihre Mutter gut gelaunt die Einkäufe verstaut und anschließend das Waschmittel aus dem Schrank holt. „Und das nur für einen einzigen Abend!“
„Machen wir jetzt den Knete-Film?“ Lennart und Lorenz stürzen sich auf sie, turnen auf ihr herum, zupfen an ihren Haaren und versuchen mit vereinter Kraft sie aus dem Sofa zu ziehen.
Carlotta protestiert schwach. Sie hat ihren Brüdern gestern versprochen mit ihnen einen Stop-Motion-Film zu drehen. Mit einem Männchen aus Knete und Matchboxautos, die ineinanderrasseln und das arme Knetmännchen überfahren. Und natürlich mit ganz viel Blut. Das war die Bedingung der Jungs, weil es ihrer Meinung nach ohne Blut kein richtiger Actionfilm wäre.
„Muss das wirklich sein?“, jammert Carlotta. „Ich hab heute hundert Kleider und tausend Paar Schuhe anprobiert. Ich kann nicht mehr. Gnade!“
Die Zwillinge lassen nicht locker. Als sie versuchen sie mit einer vierhändigen Kitzelattacke zum Aufstehen zu bewegen, gibt Carlotta auf.
„Zwei gegen einen ist unfair. In zehn Minuten in meinem Zimmer. Einer holt die Knete, einer die Spielzeugautos. Ich kümmere mich um den Rest.“
Der Rest ist eine Riesentüte Gummibärchen, die sie aus dem Vorratsschrank stibitzt, und eine Flasche Himbeersirup. Ohne Gummibärchendoping läuft gar nichts. Und der Sirup muss als Kunstblut herhalten.
Am Abend ist das Kunstwerk fertig. Immer wieder muss Carlotta ihren Halbbrüdern den kleinen Trickfilm auf ihrer Kamera vorführen, bis schließlich der Akku leer ist.
„Doppelmist!“, flucht sie. „Das Ladekabel liegt im Internat!“
Lennart und Lorenz ziehen enttäuschte Fluppen. Carlotta verspricht den Film so schnell wie möglich auf eine CD zu brennen und ihnen zu schicken.
„Aber lasst ihn bloß nicht Mama sehen!“, sagt sie eindringlich. „Ich glaub, die steht nicht so auf Splattermovies.“
„Was sind Schplättermuwies?“, fragt Lennart.
„Voll eklige Horrorfilme mit viel Himbeerblut, gemetzelten Gummibärchen und platt gefahrenen Knetmännchen“, antwortet Carlotta todernst.
„So wie unserer“, sagt Lorenz andächtig.
„Genau“, bestätigt Carlotta.
Weitere Kostenlose Bücher