Carlotta steigt ein
durch
ihre Nasenlöcher. Aus einem Infusionsbeutel tropfte eine farblose Flüssigkeit
in einen dünnen, durch Kanülen und Pflaster mit den Venen ihrer linken Hand
verbundenen Schlauch. In dem erhöhten Krankenhausbett sah sie zwergenhaft aus.
Weiße Kittel umringten sie. All das Weiß, all die Technik — diese Kombination
schlug mir auf den Magen.
Ein Schlüsselbeinbruch,
Schürfwunden, Quetschungen, möglicherweise eine Gehirnerschütterung. Ein
unglaublich junger und vergnügter Arzt sagte, sie habe Glück gehabt, daß die
Hüfte nicht gebrochen sei.
Krankenhäuser und Gefängnisse
kann ich nicht ausstehen. Vielleicht liegt das am Geruch. Wahrscheinlich aber
eher an dem Gefühl von Räumlichkeiten, in denen man gegen seinen Willen
eingesperrt ist.
In Gefängnissen gibt es
wenigstens keine Ärzte, die einem sagen, daß man noch Glück hatte.
Margaret hatte im
Rettungsfahrzeug kurz das Bewußtsein wiedererlangt. Mit zittriger Stimme hatte
sie dem Sanitäter gesagt, sie müsse nach Hause, um Ordnung zu schaffen, und er
könne sie ruhig an der Ecke absetzen, sie kenne den Weg, und vielen Dank auch.
Und die ganze Zeit über litt sie sichtlich Höllenqualen und konnte mit ihrem geschwollenen
Mund kaum Worte hervorbringen. Ich hoffe, ich habe zumindest halb soviel Mumm,
wenn ich in ihrem Alter bin.
Ich wartete in einem
trostlosen, nach Desinfektionsmitteln riechenden Gang, während zwei Polizisten,
die ich nicht kannte, ihr Fragen zu stellen versuchten. Ein pickeliger blonder
Halbwüchsiger in Klinikgrün schob eine dieser schweren Bohnermaschinen in
langsamen Kreisen über den Linoleumboden. Trotz des lauten Summens konnte ich
die Stimmen der Polizisten hören. Margaret konnte ich nicht hören. Ab und zu
knatterte ein Lautsprecher den Namen eines Arztes oder eine Zimmernummer
heraus, und dann folgte ein plötzlicher Andrang von weißen Kitteln und eiliges
Fußgetrappel. Sonst waren nur der bohnernde Junge und ich da. Wir lächelten
einander kurz zu.
Als die Polizisten herauskamen,
stellte ich mich vor. Einer von ihnen kannte Mooney.
«Er läßt grüßen», sagte der
Mann. Er war groß und hager, und die Uniform stand ihm gut. «Hatte keine Zeit,
sich selbst um das Täubchen zu kümmern.»
«Stimmt», pflichtete der zweite
Polizist bei. Er war älter, klein und dickbäuchig, mit einem vorspringenden
Kinn. Paßte überhaupt nicht in die Uniform.
Ich nickte zu Margarets Tür
hinüber. «Hat sie was gesagt?»
«War sie kaum zu fähig», sagte
der dicke Polizist sofort mit einem warnenden Seitenblick auf seinen Partner.
Er war nicht der Typ, um einem leidigen Zivilisten Informationen zu geben.
«Sagte, sie sei die Treppe
hinuntergefallen», sagte der hagere Polizist sanft.
Eine stämmige blonde
Krankenschwester sauste mit einem Glas Eisstückchen samt Strohhalm in 501. Ich
entschuldigte mich und ging hinter ihr her.
Je näher ich kam, um so
schlimmer sah sie aus, und glauben Sie mir, der Blick durch das Gangfenster war
schon übel genug. Aus einem halben Meter Entfernung wirkte ihre Haut, der Teil
ihrer Haut, der nicht verbunden oder rohes Fleisch oder rot und blau von
Prellungen war, grau. Der Verband um ihre Stirn herum war zwar reinlich, aber
an der linken Seite vergrößerte sich ein bräunlicher Fleck. Durch all die
Schläuche und Drainagen sah sie aus wie eine hilflose alte Marionette, der
Gewalt des riesigen mechanischen Bettes und der vielen Geräte an der Wand
hinter ihrem Kopf ausgeliefert.
Die Krankenschwester sprach zu
ihr, als sei sie wach. Ich war mir nicht sicher, aber ich dachte mir, die
Schwester müsse es eigentlich wissen.
«Ich hoffe, diese Polizisten
haben Ihnen nicht allzusehr zugesetzt», sagte sie lebhaft und glättete eine
störende Falte im Laken. «Sie müssen wohl ihre Fragen stellen.» Sie warf einen
Blick auf ihre Armbanduhr, dann auf mich. «Ich glaube, Ihre — hm — Enkelin wird
Ihnen mit dem Eiswasser behilflich sein.»
Ich nickte gehorsam und
versuchte, jung und besorgt auszusehen. Die Prügel hatten Margarets Äußeres um
Jahre älter gemacht.
Auf dem Tablett lag auch eine
Spritze. Die Schwester entfernte die Schutzkappe von der Nadel, hob sie gegen
das Licht, überprüfte irgendein Gekritzel am Fußende des Bettes.
«Was ist das?» Margaret war
tatsächlich wach.
«Es ist gegen die Schmerzen.»
«Ich will es nicht.»
«Sie spüren nur einen ganz
leichten Stich, Miss Devens, das ist alles.»
«Ich will nicht —» Sie war ganz
Abwehr, hatte jedoch nicht die Kraft,
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