Carlotta steigt ein
beigefarbenem
Teppichboden. Ich wandte mich nach links, wo ich das Wohnzimmer vermutete, und
blieb mit offenem Mund stehen.
Polstermaterial quoll aus einer
umgestürzten Couch. Jemand hatte drei riesige Kreuze in den geblümten Bezug
geschlitzt und sein Bestes getan, das Sofa auseinanderzunehmen. Ein
Beistelltisch war in Stücken, und unter dem abgesplitterten Furnier kam helles Holz
zum Vorschein. Ein abgebrochenes Lehnstuhlbein stak in der zertrümmerten
bleiverglasten Tür eines antiken Schranks. Ein Haufen zerbrochenes Geschirr lag
am Fuß einer Wand. Es sah aus, als hätte jemand Margarets Schätze aus reiner
Freude am Krachen und Klirren gegen die Wand geschleudert.
Ich schluckte und schob die
Hände automatisch in die Taschen meiner Jeans, um nicht in Versuchung zu
kommen, einen Stuhl zurechtzurücken oder ein zerfetztes Kissen
glattzustreichen.
Margaret.
Als ich eben den Mund öffnen
wollte, um nach ihr zu rufen, hörte ich Schritte, schwere, schnelle Schritte
und das Zuknallen einer Fliegengittertür. Hintertür, Seitentür, wie zum Teufel
sollte ich das wissen? Ich rannte nach vorne, starrte nach rechts und links,
sah nichts und niemanden. Ich hastete den schmalen Fußweg zum hinteren
Gebäudeteil. Irgendwo heulte ein Motor auf, kreischten Reifen auf dem Asphalt.
Zwischen Fliederbüschen hindurch erspähte ich noch flüchtig einen davonrasenden
dunklen Lieferwagen. Bis ich mich über Margarets hinteren Gartenzaun
geschwungen hatte, war er verschwunden.
Margaret.
Ich rannte ins Haus zurück,
rief sie beim Namen, aber meine Stimme brach, und ich glaube, sie klang nicht
besonders voll und wohltönend.
Ich begann zu suchen und gab
dabei sorgsam auf meine Füße acht. In der Küche war die Verwüstung noch größer
— Dosen, Getreideflocken, Mehl, alles mitten auf den Fußboden ausgeleert.
Das sah nicht nach Raub aus. Es
sah nach Vergeltung aus. Oder nach Krieg.
Ich fand sie im Eßzimmer, in
eine Ecke gedrückt, das geblümte Kleid an ihr hochgeschoben, eine große weiße
Schürze halb über dem Gesicht. Ein Rinnsal Blut sickerte ihr aus einem
Mundwinkel. Ich hielt mein Ohr an ihre Brust und spürte, wie sie sich beim
Atmen hob und senkte. Ich glaube nicht, daß ich das Herz hätte hören können. In
meinen Ohren sauste und brauste es.
Ich berührte sie an der
Schulter, rief ihren Namen, beides heftiger, als ich wollte. Meine Hand
zitterte, und ich merkte, daß ich vor Wut die Zähne zusammenbiß. Wut über das
Chaos, über das unbrauchbare zerbrochene Geschirr. Wut über mich selbst, daß
ich nicht ein paar Minuten früher angekommen war, dies alles nicht verhindert
hatte. Wut über meine Hilflosigkeit, wie ich da neben dem zerschlagenen Gesicht
meiner Klientin kniete.
«Alles in Ordnung, Margaret»,
sagte ich sanft, sobald ich meine trockenen Lippen zum Sprechen zu zwingen
vermochte. «Bewegen Sie sich bitte nicht. Ich bin gleich wieder da.»
Das Telefon war aus der Wand
gerissen, also lief ich über die Straße und benutzte den Apparat eines
aufgeschreckten Nachbarn. Ich kenne eine Nummer, die schneller ist als die 911.
Mooneys Nummer.
«Sie werden bald wieder gesund
sein», säuselte ich in Margarets Ohr, während ich angestrengt auf die Sirene
des Krankenwagens horchte. Ich ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich kühl und
trocken an. Sie bewegte sich, legte sich schlaff um meine, packte fester zu.
Die alte Dame stöhnte, vielleicht versuchte sie auch, etwas zu sagen. Ich
neigte meinen Kopf ganz nahe an ihre Lippen, konnte jedoch keine Worte
heraushören.
Alles, woran ich noch denken
konnte, war Tante Bea, und wie sie meine Hand umklammert hielt in diesem
schrecklichen Krankenhauszimmer, bevor sie starb. Ich hörte eine Stimme in dem
stillen Raum flüstern, und es war meine, die Margaret anflehte, durchzuhalten,
durchzuhalten.
Wenn Eugene Devens hierfür
verantwortlich war, würde ich ihn finden. Ganz bestimmt würde ich ihn finden.
8
Zimmer 501 Süd,
Boston City Hospital. Einmal
abgesehen von der frischen weißen Farbe und den mit roten und blauen Mohnblumen
übersäten Vorhängen habe ich schon Gefängniszellen gesehen, die um vieles
fröhlicher wirkten. Es war ein Doppelzimmer von der Größe eines ausladenden
Schrankes. Vorhänge umschlossen bedrohlich das Bett des Insassen, der zuerst
eingeliefert worden war, und engten die Aussicht auf die Müllcontainer vor dem
Fenster ein.
Margarets Augen waren
geschlossen, eins zugeschwollen und hübsch blau angelaufen. Luft rasselte
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