Carlotta steigt ein
räumte die Truhe weiter
aus, denn Margaret hatte sich wohl kaum um die Sicherheit ihres alten
Ballettröckchens so gesorgt.
Ich habe noch nie zuvor soviel
Geld gesehen.
Er benahm mir den Atem, dieser
liebliche Anblick, ordentlich aufgestapelte Bündel mit grünen Bauchbinden. Die
meisten Scheine waren alt, sie wirkten echter als die Aktenkoffer voll Lösegeld
in den TV-Serien. Stapelweise alte Zehner und Zwanziger über den ganzen Boden
der Truhe verteilt. Obenauf ein paar dünnere Stapel von glänzenden, neuen,
frischgedruckten Hundertern, die wie Zuckerrosen auf einer Torte prangten.
Jetzt wußte ich, woher Margaret
das Geld hatte, um mich zu bezahlen.
Ich ließ kostbare Zeit
verstreichen, während ich die ganze Barschaft anstarrte und überlegte, ob das
wohl mehr oder weniger als die meiner Katze zugesprochenen zwanzig Riesen waren.
Verstecken Sie’s, hatte
Margaret mich angefleht. Verstecken Sie’s.
Offengestanden schien es mir
schon recht gut versteckt zu sein. Ich konnte die Truhe hinter die Wand
zurückschieben, die Holzverkleidung wieder anbringen und die Spuren im Staub
mit einem Besen verwischen.
Aber die Staubfreiheit an
dieser Stelle wäre ein Fingerzeig. Das brachte mich davon ab. Das und die
Tatsache, daß ich die Truhe gleich gefunden hatte. Wenn ich sie finden konnte,
dann auch jemand anders. Besonders jemand, der den Verdacht hatte, sie sei im
Haus. Jemand, der bereits alle Möglichkeiten auf den ersten beiden Etagen
erschöpft hatte, ehe er von einem rotschöpfigen Privatschnüffler gestört wurde.
Ich nahm einen Packen Scheine
in die Hand. Ich wollte sie eigentlich gar nicht anfassen, aber das Geld zog
mich an wie ein Magnet. Ich blätterte die Hunderter durch, drehte den Stapel
um, damit ich das Präsidentenbild auf der Vorderseite bewundern konnte, und
dabei bemerkte ich, daß das Geld nicht nur gebündelt war, sondern daß die Banderole
Initialen trug.
Die Buchstaben GBA.
12
Der Geldhaufen wäre nie dahin
gelangt, wo er schließlich landete, wenn Mooney nicht gewesen wäre.
Meine Lieblingsstelle in jedem
Thriller, einmal abgesehen vom Höhepunkt, wo die Titelheldin eine Botschaft von
ihrem männlichen Gegenpart empfängt und sich voller Freude aufmacht, ihn um
Mitternacht in dem alten leerstehenden Lagerhaus zu treffen, ist der Moment, wo
die Heldin, nur mit einer Dose Haarspray bewaffnet, mit Tausenden von Dollar
herumläuft, die einer Geheimorganisation gehören.
Es war garantiert noch nicht
zehn Uhr abends, als ich Margarets Haustür abschloß, mit einem Koffer und zwei
schweren Beuteln behängt, aber auf jeden Fall hatte ich dieses komische
Titelfigurengefühl, lugte nach hinten auf den Rücksitz meines Toyota und spähte
heimlich nach den Büschen in der Nähe. Ein davonhuschendes Eichhörnchen, und
mir hätte womöglich das Herz stillgestanden.
Endlich im Auto, war ich wieder
beherzter. Ich fuhr wie früher als Taxifahrerin, und ich kann hundertprozentig
behaupten, daß mir von Margarets Haus bis zu mir niemand folgte.
Womit ich nicht gerechnet
hatte, war Mooney. Er saß dick und fett mitten auf meiner Vorderveranda, und
die Lampe beschien seinen Kopf von oben wie ein Heiligenschein. Wenn ich mir
nicht angewöhnt hätte, die Einbrecher zu beleuchten, hätte ich ihn vielleicht
gar nicht gesehen.
So ein Mist. Ich mochte soviel
Geld auch nicht fünf Sekunden im Auto lassen, geschweige denn die Zeit über,
die ich für Mooney brauchen würde. Boston ist die Hochburg der Autoknacker in
der westlichen Welt, und Cambridge kommt gleich an zweiter Stelle.
Ich bog schnell in die
Einfahrt.
Ich hatte die Tür bereits
geöffnet, noch ehe der Wagen ganz stand. Ich sammle meinen Abfall hinterm Haus,
und nun warf ich rasch die beiden schweren Beutel zu den drei bereits auf die
Müllabfuhr wartenden Säcken. Dann schnappte ich mir den Koffer und ging schnell
zur Vordertür, bevor Mooney auf die Idee kam, nach hinten zu kommen und
nachzuschauen, was denn so lange dauerte.
«Hallo, Carlotta», sagte
Mooney, immer noch im Schein der Verandalampe. Ich versuchte normal zu atmen.
Einatmen. Ausatmen.
Er deutete auf den Koffer.
«Ziehst du ein oder aus?»
«Kleider und Schuhe», sagte ich
wahrheitsgemäß, «für die Dame, die drüben am Jamaica Plain zusammengeschlagen
worden ist.»
Mooney sagte: «Ich habe gehört,
sie wird wieder.»
«Ja», sagte ich.
«Ich hatte gehofft, du würdest
mich hineinbitten», meinte er.
«Ja, willst du nicht
reinkommen?» sagte
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