Carlotta steigt ein
gabelte
winkende Passanten an Straßenecken auf, klapperte die Taxenstände am Kenmore
Square ab, übernahm seinen Teil an Fahrgästen durch den Funk. Die Arbeit fing
an, mir Spaß zu machen, denn ich hatte mich inzwischen an die Spätschicht
gewöhnt und entdeckte allmählich, wie sehr sich das Nachtleben in der Stadt seit
meinem letzten Job als Taxifahrerin verändert hatte. Miniröcke und gemusterte
Strümpfe waren wieder in, aber durch extrem hochhackige Schuhe noch auf die
Spitze getrieben. Ich habe Frauen mit schwarzem Lippenstift gesehen; Männer
übrigens auch. Ich mochte das herausfordernde Flair am Kenmore Square. Er
erschien mir im Dunkeln wie ein heimeliger Platz, der im rot-blauen Neonlicht
voll rastloser Energie pulsierte. Er weckte in mir den Wunsch, Zigaretten zu
rauchen und Blues-Musik statt des Taxifunkgeplärrs zu hören.
Um 2 Uhr 45 in der Frühe gab
Gloria über Funk Taxi 102 die Anweisung, Maudie irgendwo in Dorchester
abzuholen. 102 wollte eben Zusagen, als sich Flaherty einschaltete und
erklärte, er könne den Auftrag übernehmen, er sei schon vor Ort.
Was gelogen war.
Ich war weit hinter ihm, gute
300 Meter. Aber falls ich ihn jetzt aus den Augen verlor, war das nicht allzu
schlimm. Ich konnte ihn an der durchgegebenen Adresse wieder einholen. Erst was
dann kam, machte mir Sorgen.
Vor einem lädierten
dreigeschossigen Gebäude wurde ein gutgekleideter Mann in den Zwanzigern,
muskulös gebaut und mit stolzer Gangart, von zwei jungen Männern zum Taxi
begleitet, massigen Burschen, vielleicht spanischer Abstammung. Sie sahen genau
aus wie die Art Schlägertypen, die aus reinem Vergnügen eine alte Dame wie
Margaret Devens zusammenprügeln würden. Der Mann, der ins Taxi einstieg, trug
eine Sporttasche. Ich folgte ihnen in Richtung Franklin Park, hielt aber
gebührenden Abstand.
Bei der Verfolgungsjagd durch
den Park machte ich meine Scheinwerfer aus und verließ mich ganz auf die
Rücklichter von 442 und gelegentliches Laternenlicht. Die Straße machte den
Eindruck, als sei sie zwanzig Jahre lang nicht repariert worden. Wenn Flaherty
mich tatsächlich nicht sah, mußte er eigentlich meinen Wagen in den tiefen
Kratern aufschlagen hören, die das Straßenbauamt als Schlaglöcher bezeichnet.
Am Kreisverkehr schaltete ich meine Scheinwerfer wieder ein, folgte 442 über
die Brücke am Arnold Arboretum vorbei und den Jamaicaway hinunter.
Bremslichter leuchteten auf, zu
spät für mich, um noch unauffällig anhalten zu können. Der Fahrgast wurde an
der Brookline Avenue, vor dem Fenway Park, auf freien Fuß gesetzt. Ich glitt
vorbei, bog links ein und fuhr noch dreimal um die Kurve. Als ich die Taxe endlich
wieder vorsichtig auf die Hauptstraße fuhr, konnte ich gerade noch die
Rücklichter von 442 die Brookline hinunter in Richtung Park Drive verschwinden
sehen.
Ich wäre ja dem Fahrgast auf
den Fersen geblieben, aber: Der junge Mann hatte liederlicherweise seine
Sporttasche in dem Taxi gelassen.
Ich betete, der Verkehr möge
dichter werden. Um einen netten Lieferwagen, hinter dem ich mich verstecken
konnte bei unserem Räuber-und-Gendarm-Spiel zur Commonwealth Avenue. Aber von
wegen. Ich hielt mich hinter einem verbeulten alten Pontiac.
Die Ampel an der B. U. Bridge
mußte ich bei Gelb nehmen. Ich wundere mich immer wieder, wenn dann noch zwei
Autos nach mir hinüberspurten.
Eine Zeitlang dachte ich,
Flaherty würde die Sporttasche zur Zentrale bringen, was mir Sorgen bereitete.
Wenn Sam sie dort in Empfang nahm, wollte ich nicht Zeuge sein. Ich atmete auf,
als 442 an der Abkürzung vorbeifuhr, die die meisten Taxifahrer zurück nehmen.
442 steuerte eine Parklücke auf
der Harvard Street gegenüber dem Rebellion an. Ich bog rasch in eine
Gasse ein. Als ich meinen Rückspiegel entsprechend verstellt hatte, konnte ich
Flaherty über die Straße rennen sehen, die Sporttasche unter den Arm geklemmt.
Er hielt auf den Seiteneingang der Bar zu.
Mittlerweile war es 3 Uhr 35. Lange
nach Beginn der Polizeistunde. Ich schaffte es, meine Taxe zu wenden, ein
schwieriges Unterfangen in dem engen Gäßchen. Beinahe wäre ich in zwei dort
abgestellte G&W-Taxen gekracht. Ich notierte mir ihre Nummern und
durchstreifte die nähere Umgebung auf der Suche nach mehr. Ich entdeckte eins
auf dem Parkplatz des Rebellion. In einer Ladezone um die Ecke sprang
mir G&W 863 in die Augen, eine Taxe, die ich vor zwei Nächten verfolgt
hatte. Sean Boyles Taxe.
Na schön. Irgend etwas ging im Rebellion vor, etwas, das
Weitere Kostenlose Bücher