Carlottas Kerker
mich würde interessieren, ob er mehr über das Haus und deren Besitzer weiß.«
»Da hat doch die Fischtante schon was erzählt.«
»Man kann nie genug vorbereitet sein.«
»Okay.«
Wir fuhren noch ein paar Meter weiter, hielten dann an und stiegen aus.
Der Mann vor uns war wettergerecht gekleidet. Er trug eine graue Jacke, die auch Regen abhielt, eine Hose aus derbem Stoff und Stiefel. Beim Näherkommen sahen wir, dass sein Gesicht wettergegerbt war. Sein Haar umflatterte den Kopf als graue Fahne.
Er grüßte uns, wir grüßten zurück, und dann stellte er die erste Frage. »Sie gehören nicht zur Insel, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Sie denn?«
»Ha, ich lebe hier.«
»Sehr schön.«
Er hatte uns bereits gemustert und uns entsprechend eingeschätzt. »Was suchen denn zwei Großstädter wie Sie hier auf der Insel um diese Jahreszeit? Nach Urlaubern sehen Sie nicht aus, und erst recht nicht nach Campern.«
»Wir sind auch nur Besucher«, erklärte Suko.
Um mehr Vertrauen zu gewinnen, nannten wir unsere Namen.
Wir erfuhren, dass der Mann mit den grauen Flatterhaaren Ed Baring hieß. »Und jetzt wollen Sie zum Haus der Psychotante, denke ich.«
»Woher wissen Sie das?« Suko spielte leicht den Ahnungslosen.
»Wer fährt schon hierher?«
»Die Eigentümer.«
Ed Baring winkte ab. »Kaum, die nehmen einen Umweg. Jedenfalls meistens.«
»Ah ja...«
»Ich will ja nicht neugierig sein«, sagte Baring, »aber haben Sie es nötig, die Seelentante zu besuchen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Er grinste und wischte über seinen Mund. »Ganz einfach, meine Herren. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, auch wenn ich hier in der Einsamkeit lebe und meinen Forschungen nachgehe, die Wetter und Meeresströmungen betreffen. Da bekommt man natürlich mit, was im Ort abläuft und auch außerhalb, und kann sich deshalb so seine Gedanken machen.«
»Das haben Sie auch bei uns getan?«
»Sicher, Mr. Suko.«
»Und wie sieht das Ergebnis aus?«
Er lächelte uns an und legte die Stirn in Falten. »Ich kann mir denken, dass Sie den Rat der Psychotante nicht eben nötig haben.«
Wir gingen nicht näher auf die Bemerkung ein. Suko fragte nur: »Sie mögen die Frau nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich halte sie und ihre Arbeit nur für suspekt. Nicht mehr und nicht weniger. Die haben sich hier eingenistet und spinnen ihre Fäden. Ich habe mir sagen lassen, dass sie sogar in London bekannt sind.«
»Stimmt.«
Ed Baring begriff sehr schnell. »Dann kommen Sie aus London?«
»Genau.«
»Aber Sie wollen sich nicht behandeln lassen, wie?«
»Nein.«
»Polizei?«
Er hatte einen guten Riecher. Suko und ich schauten uns an. Das Einverständnis gaben wir uns gegenseitig durch kurze Blicke. Dann übernahm ich das Wort.
»Ja, wir sind von Scotland Yard und möchten mal etwas genauer hinter die Fassade schauen.«
Baring’s helle Augen weiteten sich, und er lächelte sogar. »Da kann ich ja nur gratulieren. Ich habe schon immer gehofft, dass denen mal jemand richtig auf die Füße tritt.«
»Warum ist Ihnen daran gelegen, Mr. Baring?«
»Meiner Meinung nach verarschen die Cranes die Menschen, die zu ihnen kommen, oder sie haben sogar noch etwas Schlimmeres mit ihnen vor.«
»Was denn?«
»Genau das Gegenteil von dem, für das sie stehen. Und das sage ich nicht nur so einfach.«
Das Glück schien uns heute hold zu sein. Es war schon gut, dass wir auf diesen Menschen getroffen waren, und ich bat ihn um eine Erklärung.
»Die können Sie gern haben, Mr. Sinclair. Nur denken Sie daran, dass es meine rein subjektive Meinung ist, obwohl mich einige Beobachtungen schon nachdenklich gemacht haben.«
»Keine Sorge, wir hören zu.«
Ed Baring wand sich noch etwas. Er musste auch die richtigen Worte finden. Dann hörten wir, dass er Menschen gesehen hatte, die aus dem Haus gekommen waren, seiner Ansicht nach nicht eben von ihren Problemen geheilt, sondern eher verstört. Er hatte sie nicht angesprochen, weil es ihn nichts anging, aber er hatte sich seine Gedanken gemacht. Zudem teilte er uns seine Meinung über Carlotta Crane mit. Für ihn sah sie nicht eben aus wie eine Psychologin.
»Wie denn?«, fragte ich.
»Kann ich nicht sagen. Eher wie so eine Glamourtante, die auf Partys herumtanzt.«
»Wenn Sie das sagen.«
»Sie kennen diese Frau doch selbst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Weder sie noch ihren Mann. Aber wir werden sie erleben.«
»Das will ich hoffen.«
»Da fällt mir noch etwas ein«, sagte Suko und zog
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