Carlottas Kerker
ihres Mannes trommelte.
»Hör jetzt auf, höre auf! Wir brauchen sie noch!«
Ob er wirklich aufhörte, war für Purdy nicht so leicht auszumachen. Sie fühlte sich von einem roten Nebel umrauscht, und sie schnappte dabei noch immer nach Luft.
Ja, sie atmete ein.
Es war zu spüren, weil dies mit ziehenden Schmerzen am Hals verbunden war. Sie wälzte sich auf die Seite, und jedes Einatmen hörte sich bei ihr so an, als wäre sie trotzdem noch dabei, zu ersticken.
Das Ehepaar Crane stand neben ihr. Lucas hielt die Seidenschnur noch immer um seine Hände gedreht. Seine Augen leuchteten wie im Fieber. Er war noch nicht fertig. Er wollte weitermachen, und Carlotta sah das auch.
Sie schlug ihm mit der Hand ins Gesicht. »Ist dir jetzt klar, dass ich hier das Sagen habe?«
»Ja, schon gut.«
»Dann weißt du, was du zu tun hast. Wir werden sie fesseln und in den Van schaffen. Aber beeil dich dabei. Sie ist zwar allein zu mir in die Praxis gekommen, doch das heißt nicht, dass sie auch allein auf der Insel ist.«
»Ich will sie töten! Töten!«
»Aber nicht hier! Warte, bis sie im Kerker steckt.«
»Gut, gut...« Er hatte die Antwort gehechelt und umkreiste Purdy Prentiss dabei.
Die Frau lag auf dem Boden. Ihr Atem hatte sich nicht beruhigt. Weiterhin saugte sie keuchend die Luft ein, und bei jedem Atemzug spürte sie die Schmerzen im Hals. Die Welt um sie herum hatte sich noch immer nicht zusammengefügt. Nach wie vor schwamm sie in einer Soße aus düsteren Farben.
Carlotta Crane war zufrieden. Sie lächelte auf Purdy nieder, und sie dachte dabei, dass sie jetzt verdammt aufpassen musste. Man war ihr auf die Spur gekommen, obwohl sie den schwachen Punkt – Eric Paine – aus dem Weg geräumt hatte.
Genau das würde auch mit dieser Staatsanwältin geschehen. Der Kerker war für sie genau der richtige Ort, denn dort würde sie Lucas Wiedersehen, aber anders.
Er kehrte zurück. Eine Rolle Klebeband hielt er in seiner rechten Hand.
»Nur die Hände!«, befahl Carlotta. Sie hatte keine Lust, die Frau zum Wagen zu schleppen. Den Weg sollte sie schon allein zurücklegen.
Auf Lucas konnte sie sich trotz allem verlassen. Er beschäftigte sich mit der Frau, und Carlotta ging zur Haustür. Sie öffnete sie und trat nach draußen. Erst am Ende der Treppe blieb sie stehen. Dort schaute sie sich nach einem weiteren Besucher um. In der Nähe des Hauses entdeckte sie nichts Verdächtiges. Es parkte kein fremdes Fahrzeug auf der Straße, und sie sah auch niemanden, der in der Nähe stand. Es war ein völlig normaler früher Abend, dessen Luft sich allerdings mit einem gewissen Dunst aufgeladen hatte, was ihr nicht fremd war. Diese Anzeichen deuteten auf Nebel hin.
Das kleine Haus hatte einen Seitenausgang. Dort parkte auch der Van mit den abgedunkelten Scheiben. Niemand würde etwas mitbekommen, wenn sie ihre Gefangene ab transportierten, und so musste es auch sein.
Sie trat wieder ins Haus und streifte den Kittel ab. Dann blieb sie bei ihrem Mann stehen. Er hatte seine Arbeit beendet. Breite Klebestreifen hielten die Hände der Staatsanwältin zusammen. Diese Fesselung konnte sie ohne Hilfe nicht loswerden, und nichts anderes hatte Carlotta Crane gewollt.
»Gut gemacht«, lobte sie.
»Soll ich sie zum Wagen schaffen?«
»Wir löschen erst noch das Licht im Haus.«
Das übernahm Carlotta. Und es war auch normal. Sie tat es jeden Tag, also schöpfte auch niemand Verdacht.
Danach kehrte sie zu ihrem Mann zurück. Die Haustür hatte sie zuvor von innen abgeschlossen. Dafür war jetzt der Seiteneingang offen. Sie musste nur noch die Tür aufziehen.
Purdy Prentiss wurde von Lucas vorwärts gestoßen. Sie fühlte sich schlapp und litt weiterhin unter den Folgen der verdammten Seidenschlinge. Dabei hatte sie das Gefühl, dass ihr Kopf vom Körper getrennt war. Das Blut zirkulierte wieder. Es sorgte dafür, dass sie die Schmerzen im Hals deutlich spürte. Ebenso wie die Nässe, die der rote Streifen auf ihrer Haut hinterlassen hatte.
»Wir können jetzt gehen!«
Purdy taumelte vorwärts. Ihre Hände waren zusammengebunden, und hinter sich hörte sie das scharfe Ein- und Ausatmen des Mannes. Manchmal knurrte er leise. Er hatte es geschafft. Er hatte sein Opfer, und Purdy kam wieder die grauenhafte Szene im Studio in den Sinn. Es war nicht so abwegig, dass ihr das gleiche Schicksal drohte.
Weit gingen sie nicht. Sehr bald schon wurde sie in ein Auto verfrachtet. Sie kippte zur Seite, und die Tür fing sie ab.
Lucas
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