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Caroline und der Bandit

Caroline und der Bandit

Titel: Caroline und der Bandit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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alten, tiefsitzenden
Schmerz zurückdrängte, und schüttelte den Kopf. »Sie hatten eine Nachbarin zum
Zug geschickt, um ihnen ein Mädchen zu holen, weil sie eine Begleiterin für
ihre Reise nach Westen suchten. Das Traurige ist, daß Miss Phoebe und Miss
Ethel die liebsten und großzügigsten Menschen auf der ganzen Welt sind. Ich bin
überzeugt, daß sie auch meine Schwestern genommen hätten, wenn sie damals
selbst am Bahnhof gewesen wären und Lily und Emma gesehen hätten.«
    Guthrie
ließ seinen Daumen streichelnd über Carolines Hand gleiten, obwohl er sie
lieber in die Arme genommen hätte, um sie zu trösten. Je mehr er hörte, desto
besser verstand er ihr verzweifeltes Bedürfnis, an Seaton Flynn zu glauben.
Vermutlich erhoffte sie sich von dem Anwalt, daß er ihr ein Heim gab und die
Geborgenheit, die ihr als kleines Mädchen so gefehlt hatte.
    »Ist es dir
gelungen, Kontakt zu Lily und Emma zu halten?« fragte er leise.
    Caroline
schüttelte den Kopf. Wieder schimmerten Tränen zwischen ihren langen Wimpern.
»Ich habe keine Ahnung, wo sie sind. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch leben.«
    »Was hast
du unternommen, um sie zu finden?«
    »Ich habe
einen Brief an die Agentur in Chicago geschrieben, die uns nach Westen
schickte, aber sie wußten auch nichts. Deswegen habe ich dann ein Buch
geschrieben.«
    »Ein Buch?«
Guthrie hatte Carolines Hand nicht losgelassen, und sie versuchte auch nicht,
sie ihm zu entziehen, obschon er vermutete, daß sie wahrscheinlich ganz
vergessen hatte, daß er ihre Hand hielt.
    Caroline
nickte. »Es ist nur ein dünner Band, in dem ich erzähle, was Lily, Emma und mir
zugestoßen ist – wie wir im Waisenzug unsere Heimat verlassen mußten und so
weiter. Ich hoffe, daß meine Schwestern das Buch irgendwo sehen, wenn es
gedruckt ist, oder wenigstens davon hören und sich mit mir in Verbindung
setzen.«
    »Hast du
bereits mit einem Verlag gesprochen?«
    Caroline glühte
vor Stolz über ihr literarisches Abenteuer, und Guthrie stellte plötzlich fest,
daß er das Buch sehr gern gelesen hätte. Andererseits jedoch befürchtete er, es
nicht ertragen zu können, die Geschichte über die drei kleinen Mädchen zu
lesen, die ganz allein auf sich gestellt in einem solchen Zug gereist waren.
    »Sie haben
mir einhundert Dollar dafür gezahlt«, sagte sie.
    Guthrie
lächelte. »Das ist eine hübsche Summe Geld«, erwiderte er und gab ihre Hand
frei, um noch einmal den Eintopf umzurühren.
    »Und du,
Guthrie?« fragte Caroline ganz unvermittelt. »Hast du eine Familie?«
    Sein
Lächeln verblaßte. »Das könnte man sagen«, gab er zu, »wenn man sehr großzügig
sein will. Mein Vater war eintrinkfreudiger Erntepächter, der auf einer
Plantage außerhalb von Richmond, Virginia, arbeitete, und meine Mama lief ihm
davon, als ich gerade vier war. Ich bin von meiner Schwester Iris aufgezogen
worden.«
    »Du
scheinst aber eine sehr gute Erziehung genossen zu haben«, bemerkte Caroline.
»Ich bin erst zur Schule gegangen, nachdem die Maitlandschwestern mich
adoptiert hatten, obwohl meine Großmutter mir das Alphabet beigebracht und mich
gelehrt hatte, meinen Namen zu schreiben.«
    Guthrie war
gerührt über Carolines Vertrauen, aber da er sie nicht merken lassen wollte,
wie sehr er sie für ihre Kindheit bedauerte, ging er in sein Zelt. Erst als er
mit zwei Emailletellern und
zwei Löffeln zurückkehrte, antwortete er: »Ich bin im großen Haus der Plantage
erzogen worden, zusammen mit den Söhnen des Pflanzers.«
    Caroline
schaute zu, wie er zwei Teller füllte. »Und deine Schwester?«
    »Sie war
damals schon nicht mehr da.«
    »Nicht mehr
da?« Caroline schluckte. Guthrie sah die Angst in ihren Augen; anscheinend
befürchtete sie, nur noch Grabsteine zu finden, wenn sie endlich etwas über
ihre Schwestern herausgefunden hatte.
    »Sie ist
nicht tot«, sagte er rasch, während er ihr einen der Teller und einen Löffel
reichte. »Iris brannte mit einem Hausierer durch, der Medizin verkaufte. Ich
nehme an, sie hielt es bei meinem Vater einfach nicht mehr aus.« Caroline
nickte mitleidig. »Hat sie dir je geschrieben?«
    »Einmal«,
antwortete Guthrie, der sich auf sein Essen konzentrierte. »Irgendwo aus
Atlanta. Der Hausierer war zur Armee eingezogen worden, und sie arbeitete für
eine Schneiderin.«
    Die Sonne
begann hinter den Bergen zu versinken, und unwillkürlich schweifte Carolines
Blick zur Stadt hinüber. Offensichtlich sollte sie nach Bolton zurückkehren,
bevor es ganz dunkel war.

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