Caroline
Moment rein.«
Ich wischte den Ausweis an meiner Hose trocken, bevor ich ihn wegsteckte und die Tür öffnete. »Hauptsache, Sie lassen den Hund an der Kette.«
»Max tut nichts, der ist lammfromm.« Sie eilte mir voraus zum Seiteneingang.
Max starrte mich mit gesträubten Nackenhaaren an und schien zu hoffen, dass sein Name ihn mir sympathisch machen würde. Dann könnte er bei einem Annäherungsversuch meinerseits zeigen, wie zahme Schäferhunde aus gutgläubigen Maxen Hackfleisch machen.
Die Tür führte in einen langen Flur mit geweißten Wänden. Die Frau hängte ihren Mantel weg und schlüpfte aus ihren Holzschuhen, und ich putzte mir mit Nachdruck die Füße an der Kokosmatte ab, bevor ich ihr in die Küche folgte. Ich hatte meine Aktentasche dabei, ein altes Ding mit Reißverschluss, das nicht besonders professionell wirkte, aber gut zu Sozialarbeitern und Bewährungshelfern passte, die heutzutage ja auch nicht mehr besonders amtlich aussahen. Die Frau winkte mich zu einem Esstisch mit geblümter Plastiktischdecke, an dem gradlehnige Korbstühle standen.
»Nehmen Sie doch Platz, ich setze Kaffee auf.«
Ich sah eine Granitanrichte mit einer Brunnenpumpe aus Kupfer neben einem normalen Hahn für das Leitungswasser sowie einen alten Ofen mit Kupferhandlauf und kleinen weißen Emailtüren. Der vierflammige Butangaskocher, der darauf stand, war wahrscheinlich eine Lösung für den Sommer. Auf einer der Flammen brutzelte in einer Gusseisenpfanne etwas vor sich hin, das nach Nelken und Lorbeer duftete. Eine Uhr mit geputzten Kupfergewichten und einem Zifferblatt aus Porzellan tickte laut. Das einzig Moderne in dieser blitzsauberen Küche war ein Fernseher, der so auf eine Wandkonsole montiert war, dass jeder am Tisch auf den Bildschirm schauen konnte. Gott sei Dank war er nicht eingeschaltet.
»Ich dachte, bei Bauernhöfen stehe immer das Wohnhaus direkt an der Straße«, bemerkte ich.
Mevrouw Siebers füllte einen Zinnkessel unter dem Wasserhahn und stellte ihn neben die Pfanne auf den Butangaskocher. »Unser Hof stammt noch von vor 1900«, erklärte sie. »Damals war es üblich, den Stall an der Straße zu erbauen, mit den typischen Drenther Scheunentoren.« Sie löffelte Kaffee aus einer Plätzchenbüchse in einen Kaffeefilter und sagte in einem Ton, als wolle sie mir von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen: »Bertus ist uns eine große Hilfe und macht uns keinerlei Schwierigkeiten. Was mich betrifft, kann er ruhig hier bleiben. Geht es bei Ihrer Untersuchung darum?«
»Nein, Mevrouw. Wir führen Stichproben durch, um festzustellen, ob die ehemaligen Häftlinge Rückfalltendenzen aufweisen und wie der Resozialisierungsprozess verläuft, also die Wiedereingliederung in die Gesellschaft.«
»Ach, diese Begriffe sind uns allmählich vertraut«, sagte sie. »Wissen Sie, wir haben vorher auch schon mal einen Exhäftling hier gehabt, aber der war sich zu fein, auch nur einen Finger krumm zu machen. Der dachte wohl, der Staat bezahlt sowieso für ihn.«
»Sind Sie mit der Vergütung nicht einverstanden?«
»Nein, das ist es nicht, das Geld kommt immer pünktlich, aber es reicht einfach nicht aus, wenn man dafür einen erwachsenen Kostgänger unterhalten muss, der den ganzen Tag nur auf seinem Hintern sitzt, schmutzige Heftchen liest und Fernsehen guckt.«
Ich zog einen Notizblock aus meiner Tasche. »Aber Bertus tut so etwas nicht?«
»Ich habe ihn noch nie lesen sehen. Vielleicht schaut er abends mal Fernsehen, er hat einen Apparat im Wohnwagen.«
Ich starrte auf meinen Notizblock. »Seit wann ist Bertus bei Ihnen?«
»Ungefähr seit einem Jahr.«
»Warum nehmen Sie eine solche Aufgabe auf sich?«
Auf ihrer schmalen Stirn bildete sich eine Falte, als verstehe sie meine Frage nicht sofort. Das Wasser fing an zu kochen und sie schaltete das Gas aus, nahm den Kessel vom Herd und fing an, Wasser auf den Kaffee zu schütten, ein Guss nach dem anderen, wie es vor der Erfindung der Kaffeemaschine jedermann tat. »Einer von Doekes Brüdern hat mal eine Dummheit gemacht, für die er ein halbes Jahr ins Gefängnis wanderte«, erzählte sie. »Als er wieder herauskam, fand er keine Anstellung mehr. Er war ein guter Maurer, aber niemand wollte ihn haben. Es war, als habe er lebenslänglich bekommen und nicht nur sechs Monate.« Sie setzte den Kessel ab und stellte Tassen und eine Porzellandose mit Zuckerwürfeln auf den Tisch. »Als Doeke dann vor fünf Jahren eine Anzeige der Bewährungshilfe Groningen
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