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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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las, dass Resozialisierungsstellen für Strafgefangene im offenen Vollzug gesucht würden, hat er sich sofort gemeldet.«
    Die Fachausdrücke sprudelten aus ihr heraus, als habe sie einen Kursus besucht. Ich wartete, bis sie mir ein Wölkchen Rahm eingeschenkt hatte, lehnte den Zucker dankend ab und fragte: »Haben Sie denn gar keine Angst?«
    »Angst?« Sie machte ein Gesicht, als gebe ich ihr erneut ein Rätsel auf, aber dann hellte sich ihr Ausdruck auf. »Ach so, vor den Jungs?«
    Sie lachte wie ein knarrendes Wagenrad. Sie setzte sich hin, den Stuhl ein Stück vom Tisch abgerückt, zog ihr schwarzes Kleid über die Knie und straffte den Rücken. »Wir fahren vorher hin, um sie kennen zu lernen. Wir haben uns drei Kandidaten angeschaut und uns schließlich für Bertus entschieden. Er ist Gärtner und schien ein guter Junge zu sein.«
    »Junge?«
    »Er wird wohl um die fünfzig sein, aber er ist ein bisschen zurückgeblieben. Er ist einfach ein braver Bursche. Er arbeitet sehr hart und ist mit Ernst bei der Sache. Manchmal muss man ihm vorher dies und jenes erklären, aber dann kann man ihn ruhigen Gewissens sich selbst überlassen. Mein Sohn arbeitet bei der staatlichen Forstverwaltung, er wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern hier nebenan. Sie legen heute Morgen eine Schonung an, mein Mann ist auch dabei. Sie arbeiten oft zu dritt.«
    »Bei diesem Wetter?«
    »Bei Regen arbeiten sie in der Halle.«
    »Der Gefängnisaufenthalt muss Bertus gut getan haben.«
    »Da bin ich anderer Meinung.« Mevrouw Siebers beugte sich steif nach vorn und trank von ihrem Kaffee.
    »Aber vorher war er doch nicht gerade nett und freundlich.«
    »Das kann ich nicht sagen«, erwiderte sie störrisch. »Ich weiß, warum er zehn Jahre im Groninger Gefängnis und danach fünf Jahre in so einer Einrichtung gesessen hat, bevor er hierher kam. Aber wir bilden uns unsere eigene Meinung.«
    »Redet er manchmal über den Mord?«, fragte ich unvermutet.
    Sie spitzte die Lippen. »Nein, nie.«
    Ich trank den aromatischen Bauernkaffee, kratzte mit meinem Stift über den Block und fragte: »Hielt man es bei der Bewährungshilfe nicht für problematisch, dass er nicht hier bei Ihnen im Haus, sondern in einem eigenen Wohnwagen wohnt?«
    »Es ist ein schöner Wohnwagen, mit allem ausgestattet. Es war ein Bauleitungswagen, mein Sohn hat ihn von der Stadt gekauft. Der zuständige Beamte hat ihn sich angeschaut und war einverstanden. Er ist ideal für Bertus, dadurch hat er etwas Privatsphäre.«
    »Ist aber weniger unter Aufsicht.«
    »Wir vertrauen Bertus.«
    »Bekommt er hin und wieder Besuch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal kommt ein Bewährungshelfer oder ein Sozialarbeiter vorbei. Sie erkundigen sich bei uns, ob alles in Ordnung ist, und schauen dann nochmal kurz bei Bertus im Wohnwagen vorbei.«
    »Bekommt er keine Privatbesuche?«
    »Nein, eigentlich nie.“
    »Nie?«
    »Letzte Woche war eine Dame bei ihm.«
    Ich hielt den Atem an. »Wer war sie?«
    »Sie ist nicht zu uns reingekommen, aber Max hat an der Kette herumgetobt und ich sah sie an meinem Küchenfenster vorbeigehen. Offenbar wusste sie, wo sie ihn finden konnte. Ich dachte, es wäre jemand von der Bewährungshilfe, aber Bertus erzählte am nächsten Tag, sie sei eine der Betreuerinnen vom Roekenhof gewesen. Dort hat er früher gearbeitet.«
    »Aber Sie haben sie nicht gesehen?«
    »Nein. Ist das denn so wichtig? Es regnete und sie hatte einen Regenschirm aufgespannt.«
    »Haben Sie sie auch wieder gehen sehen?«
    Sie runzelte die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen?«
    Meine Fragen waren ziemlich heikel und ich hatte gehofft, sie würde sie einfach beantworten, ohne weiter darüber nachzudenken. Doch wenn Bertus erst am nächsten Tag die Besucherin erwähnt hatte, war sie abends wahrscheinlich wieder gegangen. »Ich meine damit, dass Sie hier ziemlich abgelegen wohnen und abends vielleicht nur wenige öffentliche Verkehrsmittel fahren«, sagte ich so harmlos wie möglich. »Oder war sie mit dem Auto hier?«
    Das schien sie einigermaßen zu beruhigen. »Ich habe kein Auto gesehen, aber der Bus hält nur ein kleines Stück weiter und fährt einmal die Stunde.« Mevrouw Siebers stand auf, öffnete einen Vorratsschrank und holte einen Korb mit Kartoffeln heraus.
    »Hat sich Bertus über den Besuch gefreut?«
    Sie zuckte kurz die Achseln. »Er war ein bisschen durcheinander, aber er hat nichts darüber erzählt. Ich habe auch nicht nachgehakt. Seine Vergangenheit ist ein

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