Caroline
verwirrt?«
»Also jetzt mach mal einen Punkt.«
»Gedächtnisverlust? Fallsucht?«
»Nel!«
»Wenn du das alles nicht hast, ist es nicht so schlimm, sagt der Apotheker.« Nel sprühte ein Mittel auf die Wunde, legte Gaze darauf und klebte Pflaster darüber. Sie verbarg das Ganze unter einer Kappe, die bei Tageslicht betrachtet eher algerisch als jüdisch aussah, und gab mir eine längliche weiße Tablette. »Das Käppi behalten wir vorläufig noch auf«, sagte sie fröhlich. »Allmählich finde ich es ganz hübsch und du wirst sehen, dass es Eindruck schindet.«
Die Vertreter waren schon weg und der Frühstücksraum hatte sich bis auf ein älteres Ehepaar geleert, das aussah, als wolle es mit Rucksäcken und selbst geschnitzten Stöcken die ganzen Niederlande in fünf kernigen Tagesmärschen durchqueren. Sie winkten und nickten uns zu, während wir auf dem fast gänzlich geplünderten Büfett Käse und Brot zusammensuchten und bei einer mageren jungen Dame mit dunklen, eng beieinander stehenden Augen Tee bestellten.
Helga traf ein, als wir uns gerade an einen Tisch am Fenster gesetzt hatten. Sie war eine kräftig gebaute blonde Frau um die fünfzig. »Ich bin Helga Barrevoets«, sagte sie und betrachtete stirnrunzelnd meine Kopfbedeckung. »Was ist los mit Bertus Tons?« Ihre grauen Augen hinter der dicken Hornbrille hatten einen besorgten, irritierten Blick. »Hat der Junge nicht schon genug Schwierigkeiten gehabt? Sind Sie von der Polizei?«
»Nein, sind wir nicht.« Ich erklärte ihr, wer wir waren und was wir taten. »Eine Mutter hat uns beauftragt, ihre Tochter zu suchen. Wir glaubten aus gutem Grund, dass das Mädchen Bertus aufgesucht hatte. Als ich Bertus ihr Foto zeigte, geriet er in helle Aufregung und flüchtete.«
Wieder warf sie einen Blick auf meinen Kopf. »Hat er sie so zugerichtet? Sieht ihm gar nicht ähnlich. Warum sollte er so etwas tun?«
»Er war es nicht, es war meine eigene Ungeschicklichkeit. Aber vielleicht können Sie sich seine heftige Reaktion erklären.«
»Warum ich? Sie hatten doch einen Grund, anzunehmen, dass dieses Mädchen Bertus aufsuchen würde?«
»Die Sache ist ziemlich kompliziert«, sagte Nel beschwichtigend. »Möchten Sie sich nicht setzen? Eine Tasse Tee?«
Die Frau schaute einen Augenblick lang schweigend von Nel zu mir und wieder zurück und setzte sich endlich. »Lieber Kaffee«, sagte sie.
Nel ging zum Büfett mit den Kannen.
»Bertus hat erzählt, dass Sie bei ihm waren«, sagte ich. »Helga, aus dem Heim.«
Sie nickte. »Ich habe früher dort gearbeitet.«
Ich begriff, dass ich mit Märchengeschichten nicht weiterkommen würde. Helga Barrevoets wirkte ausgeglichen und intelligent. »Die junge Frau ist auf der Suche nach ihrem Vater«, erklärte ich. »Ihre Mutter ist die Schwester von Denise Fuck, die vor sechzehn Jahren im Roekenhof ermordet wurde.«
»Du lieber Himmel.« Helga verfiel in Schweigen. Sie nahm ihre Brille ab und fing an, mit einer Papierserviette vom Tisch ihre Gläser zu putzen. Sie runzelte die Stirn. »Diese Mutter, ist das Valerie, das Mannequin?«
»Ja. Es geht um ihre Tochter.«
Nel stellte ihr Kaffee hin. Helga dankte ihr mit einem Nicken und fragte: »Darf ich das Foto mal sehen?«
»Ich habe es nicht mehr. Bertus hat es mitgenommen.«
Wieder schwieg sie einen Augenblick, rührte in ihrem Kaffee und fragte dann ein wenig mitleidig: »Worauf wollen Sie hinaus? Dass Bertus der Vater dieses verschwundenen Mädchens ist? Das glauben Sie doch selber nicht.«
»Im Laufe der Ermittlungen gab es Hinweise darauf, dass Bertus zwei Jahre vor dem Mord auch die Schwester von Denise belästigt hat. Vielleicht erscheint das weit hergeholt, aber der Zeitpunkt passt genau zu dem Alter von Valeries Tochter.«
»Lächerlich.« Helga legte das Gesicht in Falten, putzte ihre Gläser, schüttelte den Kopf. Sie konnte offenbar rasch schlussfolgern. »Nur weil er so auf das Foto reagiert hat?«
»Sie haben Bertus besucht?«, fragte Nel.
»Ja.«
»Warum?«
Sie seufzte und sagte langsam: »Ich erfuhr von einer früheren Kollegin, wo er sich aufhielt, und wollte wissen, wie es ihm ging.«
»Warum?«, wiederholte Nel.
Helga biss sich auf die Lippen. »Warum? Weil ich immer gut mit Bertus ausgekommen bin. Er tut mir Leid. Er ist wirklich nicht der Klügste, aber bösartig ist er bestimmt nicht.« Sie unterbrach sich wieder kurz und fügte dann beinahe trotzig hinzu: »Er liebte Denise und sie ihn.«
»Bis er irgendwann einmal zu weit
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