Caroline
die Kaninchen anschauten. Er hatte ihn ein Jahr zuvor schon mal im Stall erwischt …«
»Mit Denise?«, unterbrach ihn Nel.
Asveld schaute sie stirnrunzelnd an. »Ja, in der Tat.«
Nel schaute mich an. Ich sagte nichts.
Asveld grinste. »Jedenfalls raufte sich der Pfarrer vor lauter Gewissensbissen und frommer Reue die Haare, weil er nicht schon vor zwei Jahren den Mund aufgemacht, sondern stattdessen von sich aus versucht hatte dem Gärtner Gottesfurcht einzubläuen.«
»Hat er das wortwörtlich gesagt?«, fragte ich ungläubig.
»Nein, aber Schamhart war der Typ dafür. Er hatte sich selbst weisgemacht, Bertus sei nur eine verirrte kindliche Seele, die er mit viel Beten, Reden und Bibelsprüchen wieder auf den rechten Weg bringen könne. Er hat Bertus regelmäßig zu sich gerufen, um mit ihm zu beten und zu reden, und Denise anscheinend auch.«
Einen Moment lang sagte niemand etwas. »Arbeitet der Mann noch da?«, fragte Nel dann.
Asveld schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, er wurde irgendwo anders hin abberufen. Ich weiß noch, dass ihm die Tränen in die Augen traten, als er während der Gerichtsverhandlung über Bertus sprach.«
Ich lag allein im Bett, doch der Platz neben mir roch nach Nel. Ich rief leise ihren Namen. Die Gardinen waren beiseite gezogen und Sonnenlicht fiel ins Zimmer. Mein Kopf fühlte sich an wie nach einer Party mit viel zu viel Alkohol. Rote Ziffern unter dem Fernseher verkündeten, dass es fünf nach neun war.
Ich schlug die Bettdecke zurück und schlurfte auf bloßen Füßen zum Fenster. Unten sah ich bunte Sonnenschirme, Bäume, Bürgersteige, den Dorfplatz. Geparkte Autos, aber nicht meinen BMW. Im Bad fand ich in Nels Kulturbeutel eine Schachtel Schmerztabletten und spülte zwei davon mit einem Glas Wasser hinunter. Ich pulte eine Plastikduschhaube aus ihrer Hotelverpackung und zog sie über die Pflaster auf meinem Hinterkopf, bevor ich unter die Dusche ging. Ich rasierte mich, zog mich an, setzte mich ans Fenster und dachte über die Frage nach, warum das Foto von Caroline in Bertus’ schlichtem Verstand eine so heftige Reaktion ausgelöst hatte. Hatte er Caroline gesehen? Wusste er, wo sie war?
Der BMW hielt auf dem Dorfplatz und ich winkte Nel zu, die mit einer Plastiktüte und dem Gehabe einer Krankenschwester im Hotel verschwand. Kurz darauf betrat sie das Zimmer. »Wir haben nicht viel Zeit, Helga kommt zum Frühstück zu uns«, sagte sie. »Und ich muss heute Nachmittag nach Amsterdam.«
»Was soll ich denn ohne dich machen?«
»Allein zurechtkommen.« Sie nickte. »Eddy unterschreibt den Vertrag und ich muss als seine Partnerin auf dem Kreditantrag mitunterschreiben.«
»Du willst es also tun?«
»Ich baue eine Ausstiegsklausel ein, aber ich kann ihn jetzt nicht im Stich lassen. Hast du noch Kopfschmerzen?«
»Die sind fast weg. Helga ist also nicht Caroline?«
Die Plastiktüte trug das Logo einer Apotheke und Nel stellte sie auf das runde Tischchen neben mir und fing an, Arzneikram auszupacken. »Erst mal müssen wir deinen Verband erneuern. Bleib sitzen und halt still. Helga hat früher im Roekenhof gearbeitet, ist inzwischen verheiratet und wohnt in Zuidlaren.«
Ich stieß einen Schrei aus, als sie mir mit einem energischen Ruck das erste Pflaster vom Kopf riss.
»Männer sind doch ein wehleidiges Volk«, sagte sie zufrieden und zog an Nummer zwei. »So gehört sich das. Tränen in den Augen? Gut so.« Sie beugte sich nach vorn, küsste mich auf die Stirn und tupfte die kahle Stelle mit einem Wattebausch ab, den sie mit Arznei aus einem Fläschchen getränkt hatte.
»Müssen die Fäden gezogen werden?«
»Vor hundert Jahren hat man das mal gemacht. Heutzutage benutzt man Fäden, die sich von selbst auflösen. Ich rieche keinen Wundbrand, also muss der Kopf nicht ab.«
»Das beruhigt mich.« Ich legte den Arm um sie und kniff ihr in den Po, wie ich es zu tun pflegte, wenn sie mir die Haare schnitt. »Ist Helga vor kurzem bei Bertus gewesen?«
»Das wollte sie nicht verraten. Behalte deine Hände bei dir. Sie weigerte sich, irgendetwas über Bertus zu sagen, solange sie nicht wusste, wer wir sind. Ich habe ihr erzählt, wir seien auf der Suche nach einem jungen Mädchen und Bertus sei durchgedreht, als er ihr Foto sah. Sie ist unterwegs hierher. Hast du Sprachschwierigkeiten oder Lähmungen in irgendwelchen Körperteilen?«
»Welche Teile meinst du denn?«
»Ist dir übel? Musst du brechen? Bist du geistig
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