Caroline
Verein und niemand war im Lektorat außer der roten Katrien. Die war eigentlich nicht an Belletristik interessiert, doch aufgrund unserer gemeinsamen Haarfarbe sagte sie: Na gut, lass es mal hier, dann schauen wir es uns an. Einen Monat später wurde ich angerufen. Man sagte mir, der Verlag wäre an meinem Krimi interessiert, unter der Voraussetzung, dass ich Nachfolgebände in petto hätte, denn mit nur einem Band könnten sie nichts anfangen. Man wollte eine Serie herausbringen. Nach einem weiteren Monat bekam ich ein lektoriertes Manuskript zugeschickt, das vor Korrekturen und Änderungen knallrot war. Aber wie ich schon sagte: Ich dachte, das hätte seine Richtigkeit. Ich war ja noch ein Anfänger.«
»Genau.«
Er schaute mich pikiert an, um festzustellen, was ich damit sagen wollte. »Nach ein paar Büchern wird man dann eigensinniger und ärgert sich darüber, wenn man in Rezensionen lesen muss, dass die Geschichten zwar nett erzählt seien, der Stil jedoch so hölzern wie ein Schulaufsatz, und dann Beispiele zitiert werden, die nicht von einem selber stammen, sondern durch diesen verdammten Rotstift zu Stande gekommen sind. Ich habe Katrien angerufen, um nachzufragen, wer mich lektoriert hat, und sie sagte, es sei Hetty Larue gewesen und ich sei nicht der Einzige, der sich darüber beklage.«
»Die Larue hat für Mirabel gearbeitet?«, fragte ich erstaunt.
Gert lachte abfällig. »Klar. Ich habe sie angerufen, ihr die Rezensionen vorgelesen und gesagt, sie solle in Zukunft gefälligst die Finger von meinen Manuskripten lassen. Da ich jedoch inzwischen ein zwar unbedeutender, aber doch schon ein klein wenig bekannter Autor geworden war, kam sie noch am selben Abend zu mir nach Hause, um sich mit mir zu versöhnen, und blieb gleich über Nacht. Zu meiner Verteidigung kann ich vorbringen, dass ich damals noch nicht wieder verheiratet war.
Seitdem überarbeitet Katrien meine Manuskripte. Hetty hatte sich um diese Arbeit gerissen, weil sie selbst angeblich auch Schriftstellerin war. Deshalb hatte sie ursprünglich bei dem Verlag angefangen. Das hat mir Katrien später erzählt. Hetty trat auch dafür ein, dass der Verlag sich mehr in Richtung Belletristik orientierte, obwohl sie, wenn du mich fragst, keine Ahnung von Literatur hat. Und seit drei Jahren ist sie sogar Miteigentümerin von Mirabel.«
»Wie bitte?«
»Hetty hat geerbt und ich glaube, sie weiß nicht, was sie mit ihrem Geld anfangen soll. Der Verlag geriet in finanzielle Schwierigkeiten und da hat sie sich sofort eingekauft. Ich glaube, sie hat die gesamte Werbekampagne aus eigener Tasche bezahlt. Sie besitzt ein teures Haus in Eemnes, ich bin einmal dort gewesen.«
»Wohnt sie allein?«
»Ja.« Wieder schaute er mich mit diesem Fahnderblick an, als sei ihm klar, dass ich konkrete Informationen aus ihm herauslockte. »Sie hat eine Putzfrau, einmal pro Woche kommt ein Gärtner, und soweit ich weiß übernachtet hin und wieder ein Literaturkritiker bei ihr. Sie war nie verheiratet, hatte immer nur kurze Beziehungen. Und sie ist ehrgeizig.«
»Und außerdem talentiert, wie man sieht?«
Er schnaubte. »Ja, obwohl ich’s selbst kaum glauben kann.«
»Hat dich das überrascht?«
»Ach, was heißt ›überrascht‹? Angesichts ihrer Herumstümperei an meinen Manuskripten habe ich immer geglaubt, sie könne nicht eine einzige Zeile vernünftiges Niederländisch schreiben.«
Ich hob den Blick. »Du bist neidisch, stimmt’s?«
Gert schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist ja ein Wunder geschehen oder sie hat Drogen genommen, ist einen Monat lang high gewesen und hat in der Zeit das Buch geschrieben. Solche Fälle soll es ja geben.«
»Ist der Roman wirklich so gut?«
Er nickte. »Ich würde zu gerne sagen können, dass es absoluter Mist ist, aber Ein kleines Geschenk ist ein Meisterwerk. Ich bin mal verdammt neugierig, ob ihr das noch ein zweites Mal gelingt. Die gesamte niederländische Literaturszene wartet gespannt auf den Nachfolger.«
10
Ich saß an einem der Holztische am Fenster von De Generaal, wartete auf CyberNel und schaute zu, wie auf dieser Seite von Baarn allmählich die Dunkelheit hereinbrach. Dann und wann fuhr ein Zug vorbei. Beim Warten wird einem die Zeit lang und außerdem weiß ich nie, was ich bestellen soll, wenn ich vom vielen Kaffee schon ganz fix und fertig bin, aber keinen Alkohol trinken will, weil ich einen klaren Kopf behalten muss. Zitronenlimonade. Ginger Ale. Campari mit
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