Caroline
Schränke neben der Falttür. Sie waren voller Papierstapel, Fotokisten, ausgeblichenen Pappordnern mit Zeitungsausschnitten, Blechdosen mit Gummiringen, Klebeband, Stiften und Kleinbildfilmen, alten Langspielplatten und sogar ein paar antiken Singles von Dusty Springfield, Bob Dylan und den Beatles. Dazu kam alles Mögliche, was die Leute im Urlaub in Griechenland und Tunesien an Touristennippes sammeln. Der Übersetzer war ein Mensch, der nichts wegwerfen konnte. Seine Tastatur versteckte er jedoch irgendwo anders und uns lief die Zeit davon.
Plötzlich erinnerte ich mich daran, wo ich früher meine Pistole aufbewahrt hatte, damit sie meinem Sohn Jerry nicht in die experimentierfreudigen Finger fiel, und sagte: »Ach, darum steht der Hocker hier.«
Ich stellte ihn zurück auf den Platz, an dem ich ihn vorgefunden hatte und stieg darauf. Ich befand mich in Augenhöhe mit Büchern über Philosophie und Geschichte, drei Bänden Christliche Theologie von Macquarry, einem Exemplar des Korans und dem Bonhoeffer-Brevier. Darüber war noch ein Regal mit Büchern über Graphologie, Astrologie und den Weissagungen des Nostradamus. Wäre der Übersetzer ebenso groß wie ich und bei der Polizei gewesen, hätte er seine Dienstwaffe zwischen dem grünen Ziertopf und dem Kupfermörser mit Stößel auf dem obersten Brett aufbewahrt.
Ich zog die Tastatur zu mir hin und reichte sie vorsichtig hinunter. Das Kabel war darumgewickelt. Ich machte Nel Platz und rückte meinen Hocker neben sie. Sie schaltete den Computer ein und Windows 2000 wurde hochgefahren. Ein paar Symbole huschten vorbei; dann ertönte ein munterer Jingle und ein fröhliches Eichhörnchen auf einem Surfbrett erschien. Es hielt zwei Bucheckern zur Auswahl bereit: Willst du spielen? Willst du surfen? Und darunter sagte eine kleine Zeile: Keins von beiden.
»Scheibenkleister«, sagte Nel erneut. »Das ist der Familiencomputer mit Kinderschutzsoftware. Die Kinder dürfen ihn benutzen, kommen aber nur an die Spiele, die Disney-Seiten und so weiter heran, nicht an die Pornos.«
»Sehr vernünftig«, sagte ich.
»Ja, aber auch sehr ärgerlich, guck mal da.« Nel klickte auf: Keins von beiden, und ein Fenster mit Passwort eingeben öffnete sich. »Ohne Passwort für die Erwachsenen macht ein Kinderschutzprogramm keinen Sinn. Lass dir mal was einfallen.«
Sie griff nach ihrer Tasche und legte die HackMac-CD ein. Das Fragezeichen erschien. Nel gab ihren Zugangscode ein und der HackMac wurde geöffnet. Sie klickte auf eine der Funktionen und schaute mich an.
»Du bist doch CyberNel«, sagte ich. »Lotje, Abkürzung von Charlotte?«
Sie warf mir einen missbilligenden Blick zu, tippte aber trotzdem den Namen von Alledins’ Tochter ein. »Der HackMac probiert auch gleich alle möglichen Varianten eines Passworts aus, also Lotje und Jetlo, Lotl, Joetl und so weiter«, sagte sie. »Aber es ist nicht Lotje. So ein Mist.«
Der HackMac hatte kaum mit seiner Arbeit begonnen, als ihn das Eichhörnchen vom Bildschirm vertrieb. Willst du spielen? Willst du surfen? Nel klickte auf Keins von beiden. Passwort eingeben.
Nel verschob den HackMac in den Papierkorb. Die CD fuhr heraus. »Ich kann ihn nicht benutzen. Das hier ist ein geniales System mit der neuesten, einbruchssicheren 128-Bit-Codierung. Es wurde dafür konzipiert, einen Computer vor Vierzehnjährigen zu schützen, für die Hacken zur zweiten Natur geworden ist. Es wirft dich nach drei missglückten Versuchen raus und lässt das Eichhörnchen wieder erscheinen. Der HackMac kriegt also gar keine Chance und jeder Jugendliche würde erst mal seinen eigenen Namen, den seiner Schwester und den seiner Mama ausprobieren, so einfach kann es also gar nicht sein.«
Wir versuchten es mit Holland, Wikke, Baswin. Das Eichhörnchen fragte, ob wir surfen oder spielen wollten.
Mutter, Schulzeit, van Velzen. Das Eichhörnchen hing uns allmählich zum Hals raus.
Nel hörte auf zu tippen und starrte deprimiert auf den Bildschirm. »Ich komme nicht rein«, murmelte sie. »Der HackMac verfügt über eine riesige Datenbank an Passwörtern: Vornamen, Katzen- und Hundenamen, Hobbys und exotische Orte, was man sich nur denken kann. Er braucht nicht lange, um sie auszuprobieren, aber wenn er jedes Mal nach drei Fehlversuchen rausgeworfen wird, sitzen wir hier nächste Woche noch.« Sie dachte nach und schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht umgehen. Wir haben nur eine Möglichkeit und die ist, von selbst auf das Passwort zu
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