Caroline
jeden fehlerfreien Satz in den Hausaufgaben seiner Schüler machen würde. Es waren an die zwölf, mit Kugelschreiber und Buntstiften in verschiedenen Farben, von unten nach oben, angefangen bei dem Wort Zymosis.
»Zounds«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Laut Wolters ein milder Fluch, sapperlot.« Ich schob Nel beiseite, ließ das Eichhörnchen verschwinden, indem ich auf Keins von beiden klickte, und gab ZOUNDS ein.
Der Computer ließ ein lautes Ping! ertönen, wodurch mir das Geräusch der sich öffnenden Haustür beinahe entgangen wäre. Ich erstarrte und drückte eine Hand auf Nels Schulter. »Es ist jemand gekommen!«
Es regnete. Wir hatten kein Auto gehört. Jemand in der Diele. Mantel aus. Nel stieß mich mit dem Fuß an, als sie zu dem Sender hinüberlangte. Ich fühlte einen Nylonzeh.
Ihre Schuhe!
Nel steckte das andere Ende des Kupferdrahtes in eine Öffnung an der Seite des kleinen Senders und drückte auf einen Knopf. Ein durchdringendes Kreischen gellte durch das Haus. Ich schob das Wörterbuch zurück an seinen Platz und lief zur Tür. Nel saß wieder am Computer. Sherlock öffnen. Suche nach dem Dokument starten. Wenn wir endlich Glück hatten, würde es gleich vor uns auf dem Bildschirm erscheinen.
Ich hielt mein Ohr an die Tür. Ich konnte bei dem Lärm keine Reaktion im Flur hören, wohl aber die Zwischentür und, soweit ich feststellen konnte, Schritte auf der Treppe.
»Beeil dich!«, zischte ich, als bräuchte Nel Ansporn. Ich griff nach dem Bündel mit den Regenschirmen und öffnete die Tür einen Spalt. Das Kreischen des Sägezahns klang wie zehn Stück Kreide an einer Tafel. Es hallte im oberen Stockwerk wider und ich hörte, wie die Frau auf der Suche nach der Geräuschquelle über den Flur rannte und Türen aufriss. Ich sah Nel auf den Stuhl klettern und die Tastatur zurückstellen. Ich erinnerte mich an die Gardine und zog sie auf.
Dann war Nel neben mir an der Tür, ihre Tasche in der einen, den Sender in der anderen Hand. Sie drückte mit dem Daumen auf die Seite, um den Kupferdraht an seinem Platz im Steckkontakt zu halten. »Ich hab’s!«
»Deine Schuhe!«
Sie wies mit dem Kinn auf die Diele, ich nahm ihr die Tasche ab und klemmte das Bündel unter den Arm. Ich zog die Tür auf. Oben kreischte der Sägezahn, ich hörte keine Schritte mehr. Sie war jetzt wahrscheinlich im Jungenzimmer, schaltete die Playstation aus, weil sie glaubte, der Lärm stamme daher, suchte zwischen dem Krimskrams auf dem Regal herum. Wenn sie den Empfänger fand, würde sie als Erstes an Bas denken, aber ihr wäre auch klar, dass sie diesen Lärm noch nie zuvor gehört und den Apparat noch nie zuvor gesehen hatte. Sie würde sich womöglich nicht trauen, ihn anzufassen.
Wir schlüpften in die Diele, zogen die Arbeitszimmertür hinter uns zu. Nel griff rasch nach ihren hochhackigen Schuhen. Falls die Frau sie entdeckt hatte, bevor der Lärm sie ablenkte, würden sie zu einem weiteren sonderbaren Element dieses merkwürdigen Zwischenfalls werden.
Ich öffnete die Haustür. Nel schaltete den Sender aus und zog den Draht heraus. Die Stille im Haus war förmlich greifbar. Wir schlüpften hinaus, zogen die Haustür hinter uns zu und rannten zum Auto, Nel auf Strümpfen durch den Regen.
CyberNel und ich waren einen Tag lang mit verschiedenen Änderungen in Hidden Strings beschäftigt. Anstelle des Titels der niederländischen Übersetzung, Kleine Geheimnisse, nannten wir es umständlich Die Tochter, die sich eine glückliche Familie wünschte, und Nel speicherte die geänderte Version auf ihrem Pocket-Laufwerk, von wo aus sie es in Sekundenschnelle auf Carolines iBook übertragen konnte. Drei weitere Tage verstrichen, bis wir ganz sicher waren, dass die Larue wieder die Wege des Ruhms beschreiten und die Nacht auswärts verbringen würde, diesmal in Brüssel, wo sie nach Angaben ihres Agenten eine Lesung gab und einen französischen Verleger treffen würde.
Es regnete stark, als wir erneut nach Eemnes fuhren. Nel lachte mich aus, als ich behauptete, es sei nicht richtig, dass sie sich in ihrem Zustand durch Fenster zwängte und in Flure fallen ließe, und so half ich ihr wenigstens in das Boot hinein und wieder heraus und durch das Fenster, das genauso aussah, wie wir es zurückgelassen hatten. Als Nel sicher auf dem Dielenfußboden gelandet war, reichte ich ihr ein aufgerolltes Handtuch hinein, mit dem sie ihre Füße abtrocknen und ihre Spuren wegwischen konnte. Anschließend suchte ich unter einem
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