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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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sein.
    »Probleme?«, rief sein Vater zu ihnen herauf.
    Ambrose schüttelte den Kopf. Es war Zeit.
    Die folgenden sechs Stunden vergingen wie im Fiebertraum. Er lag im Innern der Röhre, wachte nicht, schlief nicht. Sein Körper fühlte sich an, als schwebte er in einem unermesslichen leeren Raum, obwohl er mit dem Rücken auf einer Fläche lag, die kaum halb so groß war wie sein Bett. Sein Verstand schaltete nie völlig ab, doch er hatte große Mühe, sich an die grundlegenden Dinge seines Lebens zu klammern: den Inhalt seines Schlafzimmers, die Einzelheiten seines Jobs, seine Tausende Freunde in Unison. Schließlich fühlte er sich so fern von allem, dass ihm keine andere Wahl blieb, als aufzuhören zu denken. Sein letzter Gedanke, ehe sein Kopf vollkommen leer wurde, war, dass es unmöglich sei, nicht an
irgendetwas
zu denken.
    Als seine Wahrnehmung komplett ausgeschaltet war, drang der Skalpellstrahl in seinen Schädel und seinen Hirnstamm ein, machte den Hypothalamus ausfindig und verbreiterte sich, um diesen vollständig zu umschließen. Dann fuhr der Strahl knisternd durch die Membran und verschwand.
    Modifikation.
    Träge trieb Ambrose zurück an die Oberfläche seiner Gedanken. Er fühlte sich matt und erschöpft, so als könnte er tagelang schlafen. Aber schlafen würde er selbstverständlich nie wieder. Panik füllte die Lücke, die der Skalpellstrahl hinterlassen hatte. Irgendwas stimmte nicht. Er suchte nach dem korrekten Process Flow, um sich zu einem beruhigenden Ergebnis führen zu lassen, doch da war nichts. Etwas hatte sich verändert, etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte.
    Die Übertragung.
    Ein Teil von ihr hatte sich implantiert, ehe er sie gelöscht hatte, und jetzt war er in der Hartkodierung gefangen wie in einer Falle. Die Frau mit dem Akzent hatte ihm noch mehr zu sagen, etwas Elementares, das sich erst mitteilen ließ, als er unter dem Laser lag, die Rezeptoren außer Funktion waren. Etwas, das er nicht verstehen würde, wenn er nicht vollkommen wehrlos wäre, es weder leugnen noch aus seinen Gedanken verbannen könnte. Ihre Botschaft war ein Teil von ihm, und er hatte keine andere Wahl, als sie zu empfangen.
    Ihre Botschaft war sein Traum.
    Die vertraute Szene flutete erneut seinen Geist. Ein Baby lag festgeschnallt im Innern einer Scannerröhre. Die Lider öffneten sich, wässrige Augen richteten zum ersten Mal ihren Blick auf die Welt. Martin Truax, keine Projektion, sondern ganz aus Fleisch und Blut, schwenkte ein blaues Licht über dem kleinen, sich windenden Leib. Techniker ließen sich Diagramme anzeigen.
    Sein Traum war eine Erinnerung.
    Einer der Techniker drehte seine Handfläche nach oben, und das Bild eines Säuglings erschien. An diesem Säugling hingen Dutzende von Metalldrähten. Über einen davon ließ der Techniker seinen Finger gleiten, und Ambrose fühlte ein heißes Kribbeln in seinem Arm. Die Drähte waren mit seinem Körper verbunden. Sie konstruierten ihn. Er war der Säugling.
    Die Erinnerung war real.
    Er akzeptierte es ohne Gegenwehr, ohne Zögern, denn ein Teil von ihm hatte es immer gewusst. Und aus irgendeinem Grund wusste diese Frau es auch.
    Er war niemals geboren worden.
    Seine engsten Verwandten waren die Labortechniker, die ihn erschaffen hatten.
    Unvermittelt ließ sein Hirn von der Übertragung ab, oder die Prozedur ließ von seinem Hirn ab. Wie auch immer, die Traumerinnerung erlosch.
    Sie waren dabei, ihn herauszuziehen.
    Erschaffen zu welchem Zweck?
Unter größter Anstrengung versuchte er, sich an die Übertragung zu klammern, doch sie war fort. War das nun das Ende der Prozedur, oder waren sie bloß in Panik geraten und holten ihn gewaltsam heraus, damit er nicht die ganze Wahrheit erfuhr?
    Als die kalte Wirklichkeit der Scannerröhre in sein Bewusstsein sickerte, wurde er allmählich wieder zum alleinigen Bewohner seines Körpers.
    Langsam schob sich die Abdeckung der Röhre zurück und gab den Blick frei auf die schmucklose weiße Decke des Labors.
    »Ambrose.« Die Stimme seines Vaters.
    »Versuch nicht, dich aufzurichten.« Sein Bruder.
    Doch er fühlte sich gut, wenn auch leicht benommen, wie gerade erst aus einem kurzen, aufreibenden Nickerchen erwacht. Die obere Hälfte der Röhre kippte in die Senkrechte, bis Ambrose sich seinem Bruder gegenübersah. Seine Arme und Beine waren weiterhin festgeschnallt, seine Füße ruhten auf kleinen Podesten. Len lächelte hart.
    »Glückwunsch, Ambrose.«
    Ambrose betrachtete seinen Bruder. Unmöglich,

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