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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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abgeschlossener Ort und ich sei für
immer auf eine Insel von Halbmenschen verbannt. Aber Thomas, sie ist nicht
abgeschlossen. Gott hat mir gezeigt, daß sie hier ist, inmitten der wirklichen Welt,
in unserer Reichweite, und daß wir nur die Türen öffnen und hinaustreten
müssen, um frei zu sein. Thomas, du mußt immer nach diesem Licht streben, das
ich gefunden habe. Man nennt es Liebe. Jetzt werde ich dieses Buch zu unserem
Versteck bringen und dort lassen, solange noch Zeit ist. Lieber Gott, ich
hoffe, es ist noch nicht zu spät. Gott gewähre mir eine Freistatt in seiner
Kirche. Erinnere dich: auch dort habe ich dich geliebt.<« Tarr war
leichenblaß, und seine Hände, die das Hemd aufknöpften, um das Tagebuch wieder
in die Ledertasche zu stecken, waren zittrig und feucht. »Es kommt noch ein
Nachsatz«, sagte er. »Er lautet: >Thomas, warum weißt du nur noch so wenige
Gebete aus deiner Kindheit? Dein Vater war ein großer und guter Mensch.< Wie
ich schon sagte«, erläuterte er, »sie war verrückt.«
    Lacon
hatte die Läden geöffnet, und jetzt strömte das weiße Tageslicht voll in den
Raum. Die Fenster gingen auf eine kleine Koppel hinaus, wo Jackie Lacon, ein
fettes kleines Mädchen mit Zöpfen und Reitkappe, behutsam ihr Pony im Kanter
laufen ließ.
     
    Außerplanmäßige
Flüge mit Landung in Ost und West
     
    Ehe Tarr
wegging, stellte Smiley ihm einige Fragen. Er blickte dabei nicht Tarr an,
sondern stellte die kurzsichtigen Augen auf mittlere Distanz ein. Die Tragödie
hatte einen trostlosen Ausdruck auf dem feisten Gesicht hinterlassen. »Wo ist
das Original dieses Tagebuchs?«
    »Ich habe
es sofort wieder in den toten Briefkasten gelegt. Sie müssen es sich so
vorstellen, Mr. Smiley: Als ich das Tagebuch fand, war Irina schon
vierundzwanzig Stunden in Moskau. Meiner Vermutung nach würde sie nicht mehr
viel Puste haben, wenn das Verhör losging. Höchstwahrscheinlich war sie schon
im Flugzeug gründlich präpariert worden, dann folgte eine zweite Runde bei der
Landung, dann Frage Eins, sobald die Obermacher mit dem Frühstück fertig waren.
So machen sie's bei den Schüchternen: erst die Daumenschrauben und dann die
Fragen, stimmt's? Es könnte daher nur einen, höchstens zwei Tage dauern, bis
die Zentrale einen Strauchdieb losschicken würde, der sich ein bißchen dort
hinten in der Kirche umsehen sollte, okay?« Und dann wieder affektiert:
»Außerdem mußte ich auf mein eigenes Wohlergehen bedacht sein.«
    »Er will
sagen, daß die Moskauer Zentrale weniger daran interessiert sein würde, ihm
die Kehle durchzuschneiden, wenn sie glaubten, er hätte das Tagebuch nicht
gelesen«, sagte Guillam. »Haben Sie es fotografiert?«
    »Ich trage
keine Kamera. Ich habe mir ein dickes Schreibheft gekauft. In dieses Heft habe
ich das Tagebuch abgeschrieben. Das Original habe ich wieder in sein Versteck
gelegt. Die ganze Arbeit hat rund vier Stunden gedauert.« Er schaute Guillam
an, dann von ihm weg. Das frische Tageslicht enthüllte plötzlich tiefverborgene
Furcht auf Tarrs Gesicht. »Als ich ns Hotel zurückkam, war mein Zimmer völlig
verwüstet: sie hatten sogar die Tapeten von den Wänden gerissen. Der Direktor
schrie mich an, ich solle mich zum Teufel scheren. Er wollte von nichts gewußt
haben.«
    »Er hat
eine Kanone bei sich«, sagte Guillam. »Er wird sie nicht mit hinausnehmen.«
    »Da haben
Sie verdammt recht, das werd' ich nicht.« Aus Smileys Magengegend kam ein
mitfühlendes Grunzen: »Diese Zusammenkünfte, die Sie mit Irina hatten: die
toten Briefkästen, die Warnsignale und Ausweichtreffpunkte. Wer hat diese fachmännischen
Vorschläge gemacht: die Frau oder Sie?«
    »Irina.«
    »Worin
bestanden die Warnsignale?«
    »Körpersprache.
Wenn ich den Kragen offen trug, wußte sie, daß ich die Umgebung abgesucht hatte
und vermutete, daß die Luft rein sei. Wenn ich ihn geschlossen trug, Treffen
abgeblasen bis zum Ausweichtermin.«
    »Und
Irina?«
    »Handtasche.
Linke Hand, rechte Hand. Ich kam als erster und wartete irgendwo, wo sie mich
sehen konnte. Sie hatte die Wahl: Bleiben oder Abhauen.«
    »Das Ganze
ereignete sich vor einem halben Jahr. Was haben Sie inzwischen gemacht?«
    »Geschlafen«,
sagte Tarr grob.
    Guillam
sagte: »Er hat durchgedreht und sich nach Kuala Lumpur in eines der Bergdörfer
verzogen. Sagt er jedenfalls. Er hat eine Tochter namens Danny.«
    »Danny ist
meine Kleine.«
    »Er hat bei
Danny und ihrer Mutter sein Lager aufgeschlagen«, sagte Guillam. Wie immer
redete er

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