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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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eine Fernsehkamera
überwacht, und im Warteraum sind Abtastgeräte. Versuchen Sie doch einmal, ein
Visum zu beantragen.«
    »Ich glaube, ich werde darauf verzichten,
vielen Dank«, sagte Smiley, und Toby gab eines seiner seltenen Lachen von sich.
»Gehört alles zur Botschaft«, sagte Toby, als die Scheinwerfer über einen
Hochwald strichen, der nach links abfiel. »Hier spielt die Grigoriewa
Volleyball, gibt sie den Kindern politischen Unterricht. George, glauben Sie
mir, das ist ein äußerst krasses Weib. Botschaftskindergarten, ideologische
Schulung, Tischtennisklub, Damen-Federball - diese Frau schmeißt den ganzen
Laden. Wenn Sie's mir nicht glauben, fragen Sie nur die Jungens.« Als sie von
der Sackgasse wegfuhren, schaute Smiley zu dem oberen Fenster des Eckhauses
hinauf und sah ein Licht aus-und wieder angehen.
    »Und das ist Pauli Skordeno, der zu
Ihnen sagt >Willkommen in Bern<«, bemerkte Toby. »Es ist uns letzte Woche
gelungen, die obere Wohnung zu mieten. Pauli ist ein Reuter-Korrespondent. Wir
haben sogar einen Pressepaß für ihn gefälscht. Telegrammkarten, alles.«
    Toby hatte am Thunplatz geparkt.
Von einem modernen Glockenturm her schlug es elf Uhr. Es fiel feiner Schnee,
doch der Nebel riß nicht auf. Einen Augenblick lang sprach keiner von beiden.
    »Heute war es genau wie letzte
Woche, und letzte Woche genau wie vorletzte, George«, sagte Toby. »Jeden
Donnerstag ist es das gleiche. Nach Arbeitsschluß fährt er den Mercedes in eine
Garage, läßt auftanken, Ölstand und Batterien prüfen, verlangt eine Quittung.
Dann nach Hause. Kurz nach sechs fährt ein Botschaftswagen vor und heraus
steigt Krassky, der reguläre Donnerstagkurier aus Moskau. Allein. Ein Bursche,
mit dem nicht gut Kirschen essen ist, ein Profi. Bei allen anderen
Gelegenheiten ist Krassky immer mit seinem Begleiter Boganow unterwegs Fliegen
zusammen, befördern zusammen, essen zusammen Wenn er jedoch Grigoriew besucht,
tanzt Krassky aus der Reihe und kommt allein. Bleibt eine halbe Stunde, geht
wieder. Warum? Für einen Kurier ist das völlig regelwidrig, George. Äußerst
gefährlich, wenn er nicht die nötige Rückendeckung hat, glauben Sie mir.«
    »Was halten Sie also von ihm,
Toby?« fragte Smiley. »Was ist er?«
    Toby wendete die ausgestreckte Hand
hin und her. »Grigoriew ist kein ausgebildeter Spion, George. Nicht vom Bau,
eine einzige Katastrophe. Aber er ist auch nicht hasenrein. Ein Zwitter,
George.«
    Genau wie Kirow, dachte Smiley,
    »Glauben Sie, daß wir genug über
ihn haben?« fragte Smiley.
    »Technisch kein Problem; die Bank,
der falsche Name, vor allem Klein-Natascha: Technisch haben wir eine Handvoll
Trümpfe.«
    »Und Sie meinen, daß er brennen
wird«, sagte Smiley mehr bestätigend als fragend.
    In der Dunkelheit drehte Toby
wieder die Hand, nach oben, nach unten.
    »Verbrennen ist immer Glückssache,
George, verstehen Sie mich? Manche Burschen kriegen's mit der Heldenhaftigkeit
und wollen plötzlich für ihr Vaterland sterben. Andere wieder rollen sich
zusammen und rühren sich nicht mehr, sobald man den Arm um sie legt. Bei
Erpressung schalten manche Leute auf stur, verstehen Sie?«
    »Ja, ja, ich glaube schon«, sagte
Smiley. Er erinnerte sich wieder an Delhi und an das stumme Gesicht, das ihn
durch den Zigarettenrauch hindurch beobachtete.
    »Immer mit der Ruhe, George. Okay?
Sie müssen ab und zu das Gas wegnehmen.«
    »Gute Nacht«, sagte Smiley.
    Er fuhr mit der
letzten Tram in die Stadtmitte. Als er zum Bellevue kam, schneite es heftig:
große Flocken, die in dem gelben Licht wirbelten, die aber zu naß waren, um
liegenzubleiben stellte seinen Wecker auf sieben.
     

22
     
     
     
     
    Das Mädchen, das Alexandra genannt
wurde, war seit genau einer Stunde wach, seit dem Weckruf, doch als sie die
Glocke gehört hatte, zog sie sofort die Knie in ihrem Kalikonachthemd in die
Höhe, kniff die Augen zu und schwor bei sich selbst, daß sie noch immer
schlief, ein ruhebedürftiges Kind. Die Glocke rasselte wie Smileys Wecker um
sieben Uhr los, doch schon um sechs hatte sie das Läuten aus dem Tal gehört,
die katholischen Glocken, die protestantischen, dann die vom Rathaus, aber sie
traute keiner von ihnen. Nicht diesem Gott, nicht jenem und am wenigsten den
Bürgern mit ihren Fleischergesichtern, die beim jährlichen Fest mit herausgestreckten
Bäuchen in Habachtstellung dastanden, während der Feuerwehrchor patriotische
Lieder im Dialekt gröhlte.
    Sie wußte das alles, denn man hatte
ihr als

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