Carre, John le
Ich fragte ihn
routinemäßig, von woher er anrufe, aber er sagte nur, er habe genügend
Kleingeld. Wir haben keine Anweisung, ankommende Gespräche zu lokalisieren,
und außerdem würde das ohnehin zu lange dauern. Bei der Lebensleitung ist ein
elektrischer Karteikartenwähler mit allen Decknamen. Ich sagte dem Anrufer, er
solle am Apparat bleiben und habe >Gregory< eingetippt. Das tun wir als
nächstes, nachdem wir gefragt haben, woher der Anruf komme. Und schon hatte ich
die Antwort aus dem Wähler. >Gregory gleich Wladimir, Ex-Agent, Ex-General
der Sowjet-Armee, Ex-Führer der Rigagruppe.< Dann das Aktenzeichen. Ich
habe >Max< eingetippt und Sie gefunden, Sir.« Smiley nickte kurz.
»>Max gleich Smiley.< Dann habe ich >Riga-Gruppe< eingetippt und
festgestellt, daß Sie ihr letzter Vikar waren.«
»Ihr Vikar?« sagte Lacon, als habe er eine Häresie entdeckt.
»Smiley
ihr letzter Vikar, Mostyn? Was soll nun das schon wieder -?«
»Ich
dachte, Sie hätten von all dem gehört, Oliver«, unterbrach Smiley ihn.
»Nur
in Grundzügen«, gab Lacon zurück. »In einer Krisensituation beschränkt man
sich auf das Grundsätzliche.«
Ohne
Mostyn aus den Augen zu lassen, lieferte Strickland in seinem verquetschten
Schottisch die gewünschte Erläuterung:
»Organisationen
wie diese Gruppe hatten traditionsgemäß zwei Einsatzleiter. Den Postboten, der
die Kleinarbeit für sie erledigte, und den Vikar, der über dem Getümmel stand.
Ihre Vaterfigur«, sagte er, und nickte flüchtig in Smileys Richtung.
»Und
wer war als letzter Postbote der Gruppe eingetragen, Mostyn?« fragte Smiley,
ohne Strickland im mindesten zu beachten. »Esterhase, Sir, Codename Hector.«
»Und
der Anrufer hat nicht nach ihm verlangt?« sagte Smiley zu Mostyn, wiederum
direkt an Strickland vorbei.
»Wie
bitte, Sir?«
»Wladimir
hat nicht Hector verlangt? Seinen Postboten? Er hat mich verlangt. Max. Nur
Max. Wissen Sie das ganz genau?« »Er verlangte Sie und niemanden sonst, Sir«,
erwiderte Mostyn ernst.
»Haben
Sie sich Notizen gemacht?«
»Die
Lebensleitung liegt automatisch auf Band, Sir. Sie ist außerdem an die
Zeitansage angeschlossen, so daß wir auch da genaue Angaben bekommen.«
»Verdammt,
Mostyn, das ist eine vertrauliche Angelegenheit«, schnappte Strickland. »Mr.
Smiley ist zwar ein hervorragendes Ex-Mitglied, aber er gehört nicht mehr zur
Familie.«
»Was
haben Sie dann als Nächstes getan?« fragte Smiley.
»Die
Dienstvorschrift ließ mir sehr wenig Spielraum, Sir«, antwortete Mostyn, wobei
er wieder, wie Smiley, gezielt an Strickland vorbeiredete. »Sowohl
>Smiley< wie >Esterhase< standen auf der Warteliste, das heißt, sie
konnten nur über die fünfte Etage angesprochen werden. Mein Abteilungsleiter
war zum Lunch gegangen und wurde nicht vor zwei Uhr fünfzehn zurückerwartet.«
Er zuckte leicht die Achseln. »Ich habe abgeblockt. Ihm gesagt, er solle es um
zwei Uhr dreißig nochmals versuchen.«
Smiley
wandte sich an Strickland. »Sagten Sie nicht, daß alle Emigranten-Akten
gesondert geführt und verwahrt werden?«
»Stimmt.«
»Hätte
nicht irgendetwas Diesbezügliches auf der Karte erscheinen müssen?«
»Hätte
schon, hat aber nicht«, sagte Strickland.
»Genau
das war der springende Punkt, Sir«, pflichtete Mostyn bei, ausschließlich an
Smileys Adresse. »Nichts deutete bei diesem Stand der Dinge darauf hin, daß
Wladimir und seine Gruppe tabu waren. Der Karte nach sah er wie ein x-beliebiger
pensionierter Agent aus, der Wind machte. Ich nahm an, er wolle ein bißchen
Geld oder Gesellschaft oder dergleichen. Wir haben einige von dieser Sorte.
Überlaß ihn dem Abteilungsleiter, dachte ich.«
»Keine
Namen, Mostyn«, sagte Strickland. »Vergessen Sie das nicht.«
Hier
hatte Smiley den Eindruck, daß Mostyn vielleicht mit seinem Zögern - seiner
Miene, als streiche er bei allem, was er sagte, angewidert um irgendein
gefährliches Geheimnis - zu verstehen geben wolle, er decke einen nachlässigen
Vorgesetzten. Doch Mostyns nächste Worte widerlegten diesen Eindruck, denn er
deutete jetzt sehr wohl an, daß sein Boß einen Fehler begangen habe.
»Die
Sache war nur, daß mein Abteilungsleiter erst um drei Uhr fünfzehn vom Lunch
zurückkam, und als Wladimir um zwei Uhr dreißig anrief, mußte ich ihn also
wieder vertrösten. Er war wütend«, sagte Mostyn. »Wladimir, meine ich. Ich
fragte ihn, ob ich inzwischen irgendetwas für ihn tun könne, und er sagte:
>Finden Sie Max. Sehen Sie zu, daß Sie Max
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