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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Bordstein schlugen.
    »Herrgott«,
murrte Strickland.
    »Oder
- ich greife willkürlich ein anderes Beispiel heraus - die Überbewertung der
Exilgruppen.«
    Diesmal
gab es keinen Lastwagen, nur die tiefe anklagende Stille, die der Durchfahrt
des Letzten gefolgt war. Smiley saß da wie vorher, aufnahmebereit und
meinungslos, ganz auf Lacon konzentriert, das Gehör geschärft wie das eines
Blinden.
    »Exilgruppen,
das wird Sie interessieren«, fuhr Lacon fort »oder besser gesagt, die
altbewährten Verbindungen des Circus zu ihnen - die Weisen ziehen den Ausdruck Abhängigkeit vor, den ich eine Spur zu hart finde - mein Einspruch wurde
allerdings abgewiesen -, Exilgruppen gelten heutzutage als provokatorisch,
entspannungsfeindlich und aufrührerisch. Ein teurer Spaß. Wer sich mit ihnen
abgibt, tut dies bei Strafe der Exkommunikation. Im Ernst, George. So
weit sind wir gekommen. Völlig unter ihrer Fuchtel. Stellen Sie sich das vor!«
    Mit
einer Bewegung, als wolle er die Brust freimachen für Smileys Todesstoß,
breitete Lacon die Arme aus, blieb stehen und linste auf ihn hinunter, wie er
es schon vorher getan hatte, während im Hintergrund Stricklands schottisches
Echo dieselbe Wahrheit nochmals, nur brutaler, verkündete:
    »Die
Gruppen sind auf den Müll geworfen worden, George«, sagte Strickland. »Samt und
sonders. Befehl von oben. Kein Kontakt, nicht einmal auf Armlänge.
Einschließlich der Kamikaze-Helden des verblichenen Wladimir. Spezielles
Doppelschlüssel-Archiv für sie auf der fünften Etage. Kein Zutritt ohne
schriftliche Genehmigung vom Chef. Durchschlag in die wöchentliche Post an die
Weisen zur Begutachtung. Trübe Zeiten, George, das kann ich Ihnen sagen, trübe
Zeiten.«
    »George,
ich muß schon bitten«, rügte Lacon unbehaglich, denn er hatte etwas gehört, was
den anderen entgangen war.
    »Alles
barer Unsinn«, wiederholte Smiley demonstrativ.
    Er
hatte den Kopf gehoben, und seine Augen ruhten voll auf Lacon, als wolle er
die Unverblümtheit seines Protests noch betonen. »Wladimir war nicht teuer. Er war auch kein Spaß. Und am allerwenigsten unwirtschaftlich. Sie
wissen ganz genau, wie ungern er unser Geld nahm. Wir mußten es ihm
aufzwingen, sonst wäre er verhungert. Und von wegen aufrührerisch und
entspannungsfeindlich - was immer man damit sagen will -, sicher, von Zeit zu
Zeit mußten wir ihm die Zügel anziehen, wie den meisten guten Agenten, aber
wenn es darauf ankam, dann folgte er unseren Anweisungen wie ein Lamm. Oliver,
Sie waren einer seiner Bewunderer. Sie wissen so gut wie ich, was er wert war.«
    Smileys
ruhiger Ton verhehlte nicht die Spannung in seiner Stimme. Auch waren Lacon die
gefährlichen Farbflecke auf seinen Backen nicht entgangen.
    Scharf
wandte er sich an das schwächste Glied unter den Anwesenden: »Mostyn, ich
erwarte von Ihnen, daß Sie dies alles vergessen. Hören Sie mich? Strickland,
sagen Sie's ihm.«
    Strickland
beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen: »Mostyn, Sie stellen sich heute
Vormittag um Punkt zehn Uhr dreißig bei den Housekeepers ein und unterschreiben
eine Belehrungsbestätigung, die ich persönlich abfassen und gegenzeichnen werde!«
    »Yes,
Sir«, sagte Mostyn nach einer kurzen, fast gespenstischen Pause.
    Erst
jetzt ging Lacon auf Smileys Bemerkung ein: »George, ich habe den Mann bewundert.
Nie seine Gruppe. Hier muß scharf getrennt werden. Der Mann, ja. In mancher
Hinsicht eine heroische Gestalt, wenn Sie so wollen. Aber nicht sein Umgang:
die Phantasten, die verlotterten Prinzlinge. Noch die Unterwanderer aus der
Moskauer Zentrale, die sie warm an ihre Brust drückten. Nie. In diesem Punkt
haben die Weisen recht, das können Sie nicht leugnen.«
    Smiley
hatte die Brille abgenommen und putzte sie mit dem breiten Ende seiner
Krawatte. Im fahlen Licht, das jetzt durch die Vorhänge drang, sah sein volles
Gesicht feucht und schutzlos aus.
    »Wladimir
war einer der besten Agenten, die wir je hatten«, sagte er schroff.
    »Wohl
weil er Ihrer war, wie?« höhnte Strickland hinter Smileys Rücken.
    »Weil
er gut war«, schnappte Smiley, und alle schwiegen betroffen, während er sich
wieder faßte. »Wladimirs Vater war Este und leidenschaftlicher Bolschewik,
Oliver«, fuhr er in ruhigerem Ton fort. »Von Beruf Rechtsanwalt. Stalin
belohnte seine Loyalität, indem er ihn bei den Säuberungen ermorden ließ.
Wladimir hieß eigentlich Woldemar, hatte aber seinen Namen aus Treue zu Moskau
und zur Revolution geändert. Er wollte immer noch

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