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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Nachttischlampe.
Er drückte auf den Knopf, und als kein Licht anging, zog er den Stecker heraus,
entfernte die Glühbirne und fischte im Sockel herum, ohne Erfolg. Bloß die
Birne ausgebrannt, dachte er. Ein jäher Schrei von draußen ließ ihn an die Wand
zurückweichen, doch als er sich wieder gefaßt hatte, sah er, daß es wieder
diese Binnenmöwen waren: eine ganze Kolonie hatte sich rings um die Kaminhauben
geschart. Wieder spähte er hinunter auf die Straße. Die beiden Eckensteher
waren verschwunden. Sie sind schon unterwegs zu mir herauf, dachte er; mein
Vorsprung ist abgelaufen. Es sind gar keine Polizisten, dachte er; es sind
Mörder. Das Motorrad mit seinem schwarzen Beiwagen stand einsam und verlassen.
Er schloß das Fenster und sinnierte, ob es wohl ein Spezial-Walhall für tote
Spione gebe, wo er und Wladimir einander wiedersehen würden und er die Dinge
richtigstellen könnte; er sagte sich, daß sein Leben lange genug gewährt habe
und daß dieser Augenblick so gut wie jeder andere sei, ihm ein Ende zu setzen.
Ohne auch nur eine Sekunde daran zu glauben.
    Die Tischlade enthielt leeres
Schreibpapier, einen Heftapparat, einen angenagten Bleistift, ein paar
Gummiringe und eine unlängst ausgestellte, nicht bezahlte Telefonrechnung über
achtundsiebzig Pfund, eine Summe, die ihm mit Wladimirs einfacher Lebensweise
in krassem Widerspruch zu stehen schien. Er öffnete den Heftapparat und fand
nichts. Er steckte die Telefonrechnung zu späterer Prüfung in die Tasche und
suchte weiter, wobei er genau wußte, daß dies eigentlich keine richtige Durchsuchung
war, daß zu einer richtigen Durchsuchung drei Männer mehrere Tage gebraucht
hätten, ehe sie mit Sicherheit hätten sagen können, es sei alles gefunden
worden, was zu finden war. Wenn er überhaupt nach etwas Bestimmtem Ausschau
hielt, dann am ehesten nach einem Adressen- oder Tagebuch oder etwas, das dem
einen oder anderen Zweck hatte dienen können, und wäre es auch nur ein Fetzchen
Papier. Er wußte, daß alte Spione, selbst die besten, manchmal wie alte
Liebhaber waren: Wenn sie in die Jahre kamen fingen sie an zu mogeln, aus
Angst, ihre Fähigkeiten könnten sie im Stich lassen. Sie behaupteten, alles im
Kopf zu haben, aber so, wie sie insgeheim ihrer Männlichkeit nachhalfen, so
schrieben sie insgeheim Dinge auf, oft in einem selbstgebastelten Code, den
jeder, der die Spielregeln kannte, innerhalb von Stunden oder Minuten knacken
konnte: Namen und Adressen von Kontakten, Unteragenten. Nichts war ihnen
heilig. Prozeduren, Treffzeiten und -orte, Decknamen, Telefonnummern, sogar
Safekombinationen, als Sozialversicherungsnummern und Geburtsdaten getarnt. Zu
seiner Zeit hatte Smiley erlebt, daß ganze Netze gefährdet wurden, nur, weil
ein Agent seinem Gedächtnis nicht mehr traute. Er glaubte nicht, daß dies bei
Wladimir der Fall gewesen war, aber es gab immer ein Erstesmal.
    Sagen Sie ihm, ich habe zwei
Beweise und kann sie mitbringen ...
    Er stand an der Stelle, die der
alte Mann seine Küche genannt haben würde: am Fenstersims mit dem Gaskocher
darauf und dem selbstgebastelten Vorratskästchen, in das Luftlöcher gebohrt
waren. Wir Männer, die unsere Kocherei selber besorgen müssen, sind
Halb-Menschen, dachte er, als er die zwei Regale musterte, den Topf und die
Bratpfanne herauszog, zwischen Cayenne-Pfeffer und Paprika herumstocherte.
Überall sonst im Haus - sogar im Bett - kann man sich einigeln, seine Bücher lesen,
sich einreden, daß der Mensch am besten allein sei. Doch in der Küche sind die
Zeichen der Unvoilständigkeit zu augenfällig. Ein halber Laib Schwarzbrot. Eine
halbe Mettwurst. Eine halbe Zwiebel. Eine halbe Flasche Milch. Eine halbe
Zitrone. Ein halbes Päckchen schwarzer Tee. Ein halbes Leben. Er öffnete
alles, was sich öffnen ließ, grub mit einem Finger im Paprika. Er entdeckte
eine lose Kachel und krallte sie heraus, er schraubte den Holzgriff der
Bratpfanne ab. Als er den Kleiderschrank aufmachen wollte, hielt er mitten in
der Bewegung inne, als lausche er wieder, doch diesmal hatte er etwas gesehen,
nicht gehört.
    Auf dem Vorratsschränkchen lag eine
Stange Gauloises Caporal, Wladimirs Lieblingszigaretten, wenn er keine
russischen kriegen konnte. Er las die verschiedenen Aufdrucke. »Duty Free«,
»Filtre «, ferner »Exportation« und »Made in France«. In
einer Zellophanhülle. Er nahm sie herunter. Von den ursprünglichen zehn
Päckchen fehlte eines. Im Aschenbecher drei ausgedrückte Stummel derselben
Marke.

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