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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Er schnüffelte, und jetzt erst gewahrte er, neben dem Geruch nach Essen
und Gipsmörtel, ganz schwach das Aroma französischer Zigaretten in der Luft.
    Und keine Zigaretten in der
Tasche, erinnerte er sich.
    Smiley hielt die blaue Packung in
beiden Händen, drehte sie langsam und versuchte, hinter ihren tieferen Sinn zu
kommen. Sein Instinkt - besser gesagt, eine noch unterschwellige Wahrnehmung -
signalisierte ihm eindringlich, daß an diesen Zigaretten irgendetwas faul war.
Nicht das Äußere. Nicht die Füllung, kein Mikrofilm oder Sprengstoff oder
Dumdum-Geschoße oder ähnlich abgedroschenes Zeug.
    Nur die Tatsache, daß sie hier
waren, hier und nirgendwo anders, war faul.
    So neu, so staubfrei, ein fehlendes
Päckchen, drei Zigaretten geraucht.
    Und keine Zigaretten in der
Tasche.
    Er arbeitete jetzt rascher, wollte
möglichst schnell weg. Die Wohnung lag zu hoch oben. Sie war zu leer und zu
voll. Er hatte immer mehr das Gefühl, daß irgendetwas nicht stimmte. Warum
hatten sie die Schlüssel nicht genommen? Smiley öffnete den Schrank. Er
enthielt Kleidung und Schriften, doch Wladimir besaß von beiden nicht sehr
viel. Die Schriften waren meist hektographierte Pamphlete in Russisch und
Englisch oder in etwas, das Smiley für eine der baltischen Sprachen hielt. Da
war ein Ordner mit Briefen aus dem alten Pariser Hauptquartier der Gruppe und
eine Anzahl Plakate mit Aufschriften wie »DENKT AN LETTLAND«, »DENKT AN
ESTLAND«, »DENKT AN LITAUEN«, vermutlich zum Aushang bei öffentlichen
Veranstaltungen. Da war eine Schachtel Schulkreide, gelb, aus der zwei Stücke
fehlten. Und Wladimirs heißgeliebtes Norfolk-Jackett, vom Haken auf den Boden
gefallen. Vielleicht heruntergerutscht, als Wladimir die Schranktür ein
bißchen zu hastig geschlossen hatte.
    Wladimir, der so eitel war? dachte
Smiley. So militärisch in seiner Erscheinung? Und sein bestes Jackett liegt
zusammengeknüllt auf dem Schrankboden? Oder hatte eine achtlosere Hand als die
Wladimirs es nicht wieder über den Bügel gehängt?
    Smiley hob das Jackett auf,
durchsuchte die Taschen, hing es dann wieder in den Schrank zurück und schlug
die Tür zu, um zu sehen, ob es herunterfallen würde.
    Was es tat.
    Sie haben die Schlüssel nicht
genommen, und sie haben seine Wohnung nicht durchsucht, dachte er. Sie haben
Wladimir durchsucht, wurden jedoch, nach Meinung des Superintendent, dabei
gestört.
    Sagen Sie ihm, ich habe zwei
Beweise und kann sie mitbringen. Er ging
wieder ins Küchenrevier zurück, stellte sich vor das Schränkchen und
betrachtete nochmals eingehend die blaue Pakkung, die obenauf lag. Dann
schaute er in den Papierkorb. Wiederum nachdenklich auf den Aschenbecher. Dann
in den Abfalleimer, ob das fehlende Päckchen vielleicht zerknüllt darin liege.
Er fand nichts, und aus irgendeinem Grund freute er sich darüber.
    Zeit zu gehen.
    Aber er ging nicht, noch nicht.
Eine weitere Viertelstunde grub und stocherte Smiley herum, wobei er mit einem
Ohr auf verdächtige Geräusche lauschte. Er hob Dinge auf und stellte sie
wieder zurück, immer noch auf der Suche nach dem losen Dielenbrett oder der
klassischen Nische hinter den Regalen. Aber diesmal wollte er nichts finden.
Diesmal wollte er nur ein Nichtvorhandensein feststellen. Erst als er sich
soweit überzeugt hatte, wie die Umstände dies zuließen, trat er endlich leise
auf den Treppenabsatz hinaus und versperrte hinter sich die Tür. Auf dem Podest
der nächsten Etage begegnete er einem Aushilfsbriefträger mit Armbinde, der
aus einem anderen Korridor aufgetaucht war. Smiley tippte ihn am Ellbogen an.
    »Wenn Sie irgendetwas für Wohnung 6
B haben, dann kann ich Ihnen den Aufstieg ersparen«, sagte er bescheiden.
    Der Briefträger kramte in seiner
Tasche und brachte einen braunen Umschlag zum Vorschein. Abgestempelt in Paris
vor fünf Tagen, im fünfzehnten Arrondissement. Smiley steckte ihn ein. Noch ein
Stockwerk weiter unten würde eine Tür zur Feuertreppe führen, die mit einem
Riegel gesichert und nur von innen zu öffnen war. Smiley hatte sich das beim
Hinaufsteigen im Geist notiert. Er drückte, die Tür gab nach, er klomm eine
ekelhafte Betontreppe hinab und ging durch einen Innenhof auf eine menschenleere
Hintergasse hinaus, wobei er noch immer über die Unterlassung nachgrübelte.
Warum hatten sie seine Wohnung nicht durchsucht? Die Moskauer Zentrale hatte,
wie jeder andere bürokratische Apparat, feste Prozeduren. Man beschließt, einen
Mann zu töten. Also stellt man Posten

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