Carre, John le
Schien mir genau den richtigen Ton zu treffen.«
»Ich hol mir einen Stift«, sagte
Smiley und fummelte wieder in der Schublade herum, bis er ein birnenförmiges
Plastikgebilde mit Lederriemen fand, das Ann manchmal um den Hals trug. Er
bekam es mit einiger Mühe auf und schrieb nach Lacons Diktat:
Firmenname, Adresse, nochmals
Firmenname und wiederum die Adresse.
»Haben Sie's? Soll ich wiederholen?
Oder lesen Sie es mir nochmals vor, von wegen doppelt genäht hält besser?«
»Ich glaube, ich hab's mitgekriegt,
vielen Dank«, sagte Smiley. Etwas verspätet dämmerte ihm, daß Lacon betrunken
war.
»George, wir haben eine
Verabredung, vergessen Sie's nicht. Ein Seminar über die Ehe, bei dem alle
Griffe erlaubt sind. Ich hab Sie zu meinem Guru ausersehen. Da ist ein nicht
unübles Steak-House gleich um die Ecke, und ich werde Ihnen ein gepflegtes
Dinner auffahren lassen, während Sie mir etwas von Ihrer Weisheit abgeben.
Haben Sie einen Terminkalender zur Hand? Tragen wir doch gleich was ein.«
Voll düsterer Vorahnungen machte
Smiley ein Datum fest. Nachdem er ein Leben lang Legenden für jede Gelegenheit
erfunden hatte, war er immer noch außerstande, sich aus einer Dinner - Einladung
herauszureden.
»Und Sie haben nichts gefunden?«
fragte Lacon, jetzt wieder in leiserem Ton. »Keinen Haken? Keinen Wurm? Keinen
dicken Hund? War ein Sturm im Wasserglas, wie wir vermuteten, nicht wahr?«
Eine Menge Antworten kamen Smiley
in den Sinn, aber er erachtete sie alle für zwecklos.
»Was ist mit der Telefonrechnung?«
frage Smiley.
»Telefonrechnung? Welche
Telefonrechnung? Ah, Sie meinen seine. Bezahlen Sie, und schicken Sie
mir die Quittung. Kein Problem. Noch besser, schicken Sie die Rechnung an
Strickland.«
»Ich habe Sie Ihnen bereits
zugesandt«, sagte Smiley geduldig.
»Ich bat Sie, die nachprüfbaren
Anrufe aufschlüsseln zu lassen.«
»Werde mich sofort darum kümmern«,
antwortete Lacon leutselig. »Sonst noch was?«
»Nein. Nein, ich glaube nicht.
Sonst nichts.«
»Legen Sie sich ein bißchen aufs
Ohr. Sie klingen ganz erschossen.«
» Gute Nacht«, sagte Smiley.
Mit Anns Lupe in der drallen Hand
machte Smiley sich von neuem an die Untersuchung des Bildes. Der Boden der
Grube war mit einem anscheinend weißen Teppich ausgelegt; die Sofas standen im
Halbrund vor der Stoffbespannung, die das Gesichtsfeld abschloß. Im
Hintergrund sah man eine Polstertür, und daran hingen die abgelegten
Kleidungsstücke der Männer - Jacken, Krawatten, Hosen -, so ordentlich wie in
einem Spitalzimmer. Auf dem Tisch stand ein Aschenbecher, und Smiley versuchte,
die Aufschrift auf dem Rand zu entziffern. Nach vielem Hin- und Hergeschiebe
der Lupe fand er schließlich, was der verhinderte Philologe in ihm als die
erschlossene (putative) Buchstabengruppe »A-C-H-T« bezeichnete. Er konnte
jedoch nicht sagen, ob es sich dabei um das deutsche Zahlwort handelte oder um
vier Buchstaben eines längeren Worts, zum Beispiel des Worts »Achtung«. Er
stellte in diesem Stadium auch keine weiteren Spekulationen an, sondern
speicherte einfach die Nachricht in einer rückwärtigen Zelle seines Gedächtnisses,
solange, bis irgendein weiteres Teilstück des Puzzles zwangsläufig die
richtige Plazierung ergeben würde.
Ann rief an. Er mußte wieder einmal
eingedöst sein, denn er erinnerte sich später nicht daran, das Klingeln des
Telefons gehört zu haben, nur ihre Stimme, als er langsam den Hörer ans Ohr gehoben
hatte: »George, George«, als ob sie schon eine ganze Weile nach ihm gerufen und
er sich erst jetzt aufgerafft oder bequemt hätte, ihr zu antworten.
Sie begannen ihr Gespräch wie zwei
Fremde, so, wie sie sich im Bett einander näherten.
»Wie geht es dir?« fragte sie.
»Danke, gut, sehr gut. Und dir? Was
kann ich für dich tun?« »Ich möchte es wirklich wissen«, beharrte Ann. »Wie
geht es dir? Sag.«
»Ich sagte doch schon: gut.«
»Ich habe heute Vormittag
angerufen. Warum hast du dich nicht gemeldet?«
»Ich war aus.«
Lange Pause, während sie die
fadenscheinige Begründung zu werten schien. Das Telefon hatte sie nie zur Eile
angestachelt.
»Aus, beruflich?«
»Eine Verwaltungssache für Lacon.«
»Der fängt aber neuerdings früh mit
dem Verwalten an.«
»Seine Frau hat ihn verlassen«,
sagte Smiley als Erklärung.
Keine Antwort.
»Du hast immer gesagt, daß sie das
tun sollte«, fuhr er fort. »Sie solle zusehen, daß sie da rauskomme, hast du
gesagt, bevor sie ebenfalls zur
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