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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Bauernfänger,
Sittenstrolch, Zuhälter, außerdem vielseitig kriminell? Erinnern Sie sich an diesen großen Helden?« Smiley sah wieder das Schottenmuster der Hoteltapete vor
sich und die scheußlichen Jagddrucke, auf denen die Jorrocks mit Heissa und
Hussa dahersprengten, er sah die beiden Gestalten in ihren schwarzen Mänteln,
den Riesen und den Zwerg, und die fleckige Pranke des Generals auf der schmalen
Schulter seines Schützlings. »Max, das ist mein guter Freund Otto. Ich habe ihn
mitgebracht, damit er Ihnen selber seine Geschichte erzählt.« Er hörte das
pausenlose Donnern der auf dem Londoner Flugplatz landenden und startenden
Maschinen.
    »Vage«, räumte Smiley ein. »Ja,
vage erinnere ich mich an Otto Leipzig. Erzählen Sie mir von ihm. Wenn ich
nicht irre, hatte er eine Menge Namen. Aber das haben wir alle
schließlich auch, wie?«
    »Ungefähr zweihundert, aber Leipzig
behielt er am Ende bei. Wissen Sie, warum? Leipzig in Ostdeutschland: Die
Gefängnisse dort hatten es ihm angetan. Er besaß diese Art Galgenhumor. Wissen
Sie zufällig noch, mit welcher Art Stoff er hausieren ging?« Toby, der glaubte,
nun die Initiative zu haben, trat kühn einen Schritt vor, beugte sich zu dem
passiv dasitzenden Smiley hinunter und fuhr fort: »George, erinnern Sie sich
nicht mal an den kompletten Quatsch, den dieser Kniich Jahr für Jahr unter
fünfzehn verschiedenen Quellenangaben unseren westeuropäischen Stationen
angedreht hat, vornehmlich den deutschen? Unser Experte für die Neue Estnische
Ordnung? Unsere Top-Quelle für sowjetische Waffensendungen aus Leningrad? Unser
inneres Ohr in der Moskauer Zentrale, ja, sogar unser oberster Karla-Späher?«
Smiley regte sich nicht. »Wie er zum Beispiel unserem Berliner Residenten
zweitausend Deutsche Mark für einen Bericht abknöpfte, den er aus dem Stern abgeschrieben
hatte? Wie er dem alten General mitgespielt hat, ihn ausgesaugt wie ein
Blutegel, immer wieder aufs neue - >Wir alten Exil-Balten< -, auf diese
Tour? - >General, ich kann Ihnen die Kronjuwelen holen -, das Dumme ist
nur, ich hab das Geld für den Flug nicht flüsssig.< Hergott!«
    »Es waren aber nicht nur Märchen,
Toby, wie?« wandte Smiley milde ein. »Manches erwies sich - wenn ich mich recht
erinnere -, zumindest aus bestimmten Bereichen, als recht brauchbar.« »Kann man
an einem Finger abzählen.«
    »Sein Material über die Moskauer
Zentrale zum Beispiel. Ich entsinne mich nicht, daß daran jemals etwas
auszusetzen war.« »Okay. Die Zentrale hat ihm gelegentlich ein paar Körnchen
Wahrheit hingeworfen, damit er uns den übrigen Mist andrehen konnte! Das
klassische Vorgehen aller Doppelagenten!«
    Smiley schien hier widersprechen zu
wollen, überlegte es sich dann aber anders.
    »Verstehe«, sagte er schließlich,
als gebe er sich geschlagen. »Ja, ich verstehe, was Sie meinen. Ein Spion.«
    »Kein Spion, nur ein Windbeutel.
Hier ein bißchen, dort ein bißchen. Ein Hausierer. Keine Grundsätze. Kein
Berufsethos. Arbeitet für jeden, der ein paar Kröten springen läßt.«
    »Eins zu null für Sie«, sagte
Smiley ernsthaft und ebenso kleinlaut, wie vorher. »Und er hat sich ja auch in
Norddeutschland niedergelassen, nicht wahr? Irgendwo droben bei Travemünde.«
»Otto Leipzig hat sich in seinem ganzen Leben nirgendwo niedergelassen«, sagte
Toby verächtlich. »George, der Kerl ist ein Stromer, ein kompletter Strolch.
Kleidet sich wie ein Rothschild, besitzt eine Katze und ein Fahrrad. Wissen
Sie, was er zuletzt gemacht hat, der große Spion? Nachtwächter in einem miesen
Hamburger Lagerschuppen! Schwamm drüber.«
    »Und er hatte einen Partner«, sagte
Smiley, wiederum so unschuldig, als sei es ihm eben erst eingefallen. »Ja,
jetzt kommt es mir wieder. Einen Immigranten, einen Ostdeutschen.«
    »Schlimmer, einen Sachsen.
Familienname Kretzschmar, Vorname Claus. Claus mit C, fragen Sie mich nicht,
warum. Ich meine, diese Menschen haben überhaupt keine Logik. Claus war auch
ein Windhund. Die beiden klauten gemeinsam, hurten gemeinsam, fälschten
gemeinsam ihre Berichte.«
    »Aber das war vor langer Zeit,
Toby«, wandte Smiley sanft ein.
    »Na und? Es war eine ideale Ehe.«
    »Dann dürfte sie nicht lang
gedauert haben«, sagte Smiley wie im Selbstgespräch.
    Aber vielleicht hatte Smiley seine
Demutshaltung diesmal übertrieben, oder vielleicht kannte Toby ihn einfach zu
gut. Denn in seinem flinken Ungarnauge war ein Warnlicht aufgeblitzt, und eine
argwöhnische Falte erschien auf der glatten

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