Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
Vom Netzwerk:
Stirn. Er trat zurück, betrachtete
Smiley und strich sich nachdenklich über das makellos weiße Haar.             
    »George«, sagte er. »Hören Sie, wen
halten Sie hier zum Narren, okay?«
    Smiley sagte nichts. Er hob nur den
Degas auf, drehte ihn einmal rundum und stellte ihn dann wieder hin.
    »George, hören Sie ein einziges Mal
auf mich. Bitte! Okay, George? Vielleicht darf ich Ihnen ein einziges Mal einen
Vortrag halten.«
    Smiley warf ihm einen raschen Blick
zu und sah wieder weg. »George, ich bin in Ihrer Schuld. Sie müssen zuhören,
Sie haben mich in Wien als Lausejungen aus der Gosse geholt. Ich war ein
Leipzig. Ein Strolch. Sie haben mir meinen Job beim Circus verschafft. Wir
haben oft zusammengearbeitet, manches Pferd gestohlen. Erinnern Sie sich an
das erste Gebot für den Ruhestand, George? >Keine Schwarzarbeit. Kein
Weiterstricken an unerledigten Fällen. Keinerlei private Initiative.<
Wissen Sie noch, wer dieses Gebot verkündet hat? In Sarratt? Wo man ging und
stand? Unser George Smiley. >Wenn es aus ist, ist es aus. Rolläden runter
und nach Hause gehen!< Und was soll das jetzt plötzlich sein? Dieses Trara
um einen alten General, der tot ist, aber nicht liegenbleiben will, und um
einen Allerweltskomödianten wie Otto Leipzig? Was soll das sein? Der letzte
Reiterangriff auf den Kreml? Wir sind aus dem Spiel, George. Wir haben keinen
Jagdschein. Man will uns nicht mehr. Schluß der Vorstellung.« Er zögerte,
schien plötzlich verlegen. »Okay, Ann hat Ihnen mit Bill Haydon schwer
mitgespielt. Klar, es geht um Karla, und Karla war Bills Schutzpatron in
Moskau. George, ich meine, das Ganze ist ziemlich primitiv, nicht wahr?«
    Seine Hände fielen kraftlos herab.
Er starrte auf die regungslose Gestalt seines Gegenübers. Smileys Lider waren
fast geschlossen. Sein Kopf hing auf die Brust. Durch die Verschiebung der
Wangen erschienen tiefe Schatten um Mund und Augen.
    „Was Leipzigs Berichte über die
Moskauer Zentrale betraf, so haben wir ihn nie bei einem Schwindel erwischt«,
sagte Smiley, als habe er Tobys letzte Sätze nicht gehört. »Das weiß ich noch
ganz genau. Auch nicht bei den Berichten über Karla. Wladimir vertraute ihm
blind. In bezug auf das Moskau-Material. Und wir auch.«
    »George, wer hat jemals einen
Bericht über die Moskauer Zentrale als Schwindel entlarven können? Bitte?
Okay, dann und wann kriegen wir einen Überläufer, und der sagt: >Das da ist
Mist, und das hier könnte wahr sein.< Wo ist die Garantie? Wo ist der wahre
Kern, wie Sie immer sagten? Jemand tischt einem eine Geschichte auf: >Karla
hat gerade eine neue Agentenschule in Sibirien eingerichtet.< Wer kann das
Gegenteil beweisen? Nur immer hübsch allgemein bleiben, dann kann man nicht
verlieren.« »Eben deshalb haben wir Otto Leipzig trotz allem gehalten«, fuhr
Smiley fort, als habe Toby nichts gesagt. »Wo es um den sowjetischen
Geheimdienst ging, trieb er ein ehrliches Spiel.« »George«, sagte Toby sanft
und schüttelte den Kopf. »Sie müssen aufwachen. Die jubelnde Menge ist längst
nach Hause gegangen.«
    »Wollen Sie mir jetzt den Rest der
Geschichte erzählen, Toby? Wollen Sie mir genau berichten, was Wladimir zu
Ihnen gesagt hat? Bitte.«
    Und so erzählte Toby schließlich,
als widerstrebend gewährten Freundschaftsbeweis, was Smiley wissen wollte - mit
einer Offenheit, die dem Eingeständnis seiner Niederlage gleichkam.
     
    Die Statuette, die ein Degas hätte
sein können, stellte eine Tänzerin mit erhobenen Armen dar. Der Körper war
weit zurückgebogen, der Mund wie in Ekstase geöffnet, und es stand außer
Frage, daß sie, ob gefälscht oder echt, eine zwar flüchtige, aber beunruhigende
Ähnlichkeit mit Ann hatte. Smiley hatte sie wieder vom Tisch genommen und
drehte sie jetzt langsam zwischen den Händen, beäugte sie, ohne dabei wirklich
mit ihr ins Reine zu kommen, bald von der einen, bald von der anderen Seite.
Toby saß wieder auf seinem seidenen Taburett. Die Schattenfüße glitten munter
über das Oberlicht.
    Toby und Wladimir hatten sich im
Cafe des Science Museum getroffen, droben in der aeronautischen Abteilung,
wiederholte Toby. Wladimir war äußerst erregt und packte Toby immer wieder am
Arm, was Toby nicht leiden konnte, es war ihm zu auffällig. Otto Leipzig habe
das Unmögliche fertiggebracht, sagte Wladimir mehrmals. Der Haupttreffer,
Toby, die Chance eins zu einer Million; Otto Leipzig habe den Fisch an Land
gezogen, von dem Max die ganze Zeit träumte, »die

Weitere Kostenlose Bücher