Carre, John le
Das ist das Leben, das wir führen, dachte
Avery. Immer der gleiche Flughafen, nur mit jeweils anderen Namen, die gleichen
eiligen, schuldbewußten Zusammenkünfte. Wir leben außerhalb der Stadtmauern,
die Black Friars aus einem dunklen Haus in Lambeth. Er war todmüde und sehnte
sich nach Sarah. Er wollte ihr sagen, daß es ihm leid tue, wollte sich wieder
mit ihr versöhnen, eine neue Stellung suchen, einen neuen Anlauf nehmen, öfter
mit Anthony spielen. Er schämte sich. »Ich will nur rasch telefonieren. Sarah
fühlte sich bei meiner Abreise nicht recht wohl.«
»Rufen Sie
vom Büro aus an, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Leclerc. »Ich habe in
einer halben Stunde eine Besprechung mit Haldane.« Da Avery den Eindruck hatte,
in Leclercs Stimme schwinge ein falscher Ton mit, warf er ihm einen
mißtrauischen Blick zu, aber die Augen des anderen waren auf den schwarzen
Humber gerichtet, der auf dem reservierten Parkplatz stand. Leclerc ließ sich
den Wagenschlag vom Fahrer öffnen, und nach einigem umständlichen Hin und Her
saß Avery schließlich an Leclercs linker Seite, wie es offenbar das Protokoll
verlangte. Der Fahrer schien das Warten satt zu haben. Zwischen ihm und ihnen
gab es keine Trennwand. »Das ist eine Veränderung«, sagte Avery und deutete auf
das Auto.
Leclerc
nickte nur, als sei die Anschaffung für ihn keineswegs mehr neu. »Wie steht
die Sache?« fragte er zerstreut.
»In
Ordnung. Es ist doch nichts los? Mit Sarah, meine ich.«
»Warum
sollte etwas los sein?«
»Blackfriars
Road?« fragte der Fahrer, ohne den Kopf zu wenden, wie man es von einem
Chauffeur erwarten konnte.
»Hauptquartier,
ja.«
»Das war
ein schreckliches Durcheinander in Finnland«, sagte Avery grob. »Die Papiere
unseres Freundes... Malherbe... waren nicht in Ordnung. Das Auswärtige Amt
hatte seinen Paß eingezogen.«
»Malherbe?
Ach so, Sie meinen Taylor. Das wissen wir alles. Das ist jetzt schon geregelt.
Nur die übliche Eifersucht. Control ist in der Tat ziemlich außer sich darüber.
Er schickte uns seine Entschuldigung. Wir haben jetzt eine Menge Leute auf
unserer Seite. Sie können sich davon keine Vorstellung machen, John. Sie werden
uns sehr nützlich sein, John: Sie sind der einzige, der es an Ort und Stelle
gesehen hat.« Was gesehen? fragte sich Avery. Sie waren wieder zusammen, mit
der gleichen Intensität, dem gleichen körperlichen spürbaren Unbehagen, den
gleichen Augenblicken geistiger Leere. Als Leclerc sich ihm zuwandte, glaubte
Avery einen schrecklichen Augenblick lang, er werde ihm die Hand aufs Knie
legen. »Ich sehe, Sie sind müde, John. Ich weiß, wie einem zumute ist. Macht
nichts - Sie sind wieder bei uns. Hören Sie, ich habe eine gute Nachricht für
Sie. Das Ministerium hat plötzlich enorm angebissen. Wir sollen eine
Einsatzsondergruppe bilden, um die nächste Phase vorzubereiten.«
»Die
nächste Phase?«
»Sicher!
Den Mann, den ich Ihnen gegenüber erwähnte. Wir können die Dinge nicht so
bewenden lassen. Wir sind zum Aufklären da, John, nicht nur zum Vergleichen
der Ergebnisse anderer Leute. Ich habe die Sonderabteilung wieder ins Leben gerufen.
Wissen Sie, was das ist?«
»Haldane
leitete sie während des Krieges. Schulung.«
Leclerc
unterbrach ihn eilig wegen der Anwesenheit des Fahrers:». Schulung der
reisenden Vertreter. Und er wird sie auch jetzt wieder leiten. Ich habe beschlossen,
daß Sie mit ihm arbeiten sollen. Ihr seid meine zwei besten Köpfe.« Er sah
Avery von der Seite an.
Leclerc
hatte sich verändert. In seinem Benehmen schwang eine neue Saite mit, etwas,
das mehr war als Optimismus oder Hoffnung. Als Avery ihn das letzte Mal gesehen
hatte, schien sein Leben nichts als ein Kampf gegen das Unglück zu sein: jetzt
strahlte er Frische aus - ein Zielbewußtsein, das entweder neu oder sehr alt
war. »Und Haldane hat angenommen?«
»Ich sagte
es schon.
Er
arbeitet Tag und Nacht. Sie vergessen, daß Adrian ein Profi ist. Ein echter
Routinier. Die alten Hasen sind für solche Jobs die besten. Mit einem oder zwei
jungen Köpfen zur Seite.«
Avery
sagte: »Ich möchte über die ganze Unternehmung mit Ihnen sprechen … über
Finnland. Ich komme in Ihr Büro, sobald ich Sarah angerufen habe.«
»Kommen
Sie gleich mit, dann kann ich Sie ins Bild setzen.«
»Ich rufe zuerst Sarah an.«
Wieder
hatte Avery das unbegründete Gefühl, daß Leclerc ihn von einer Verständigung
mit Sarah abzuhalten versuchte. »Es geht ihr doch gut, nicht wahr?«
»Soviel
ich
Weitere Kostenlose Bücher