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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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wohl anders sein, nicht?« sagte Avery schnell. »Er ist ein Profi.«
    »Leiser
ist keiner von uns. Täuschen Sie sich nicht. Wir sind nur lange mit ihm in
Verbindung, das ist aber auch alles.«
    »Wie ist er? Was für ein Mensch?«
    »Er ist ein Agent. Er ist ein
Mensch, den man steuert, nicht einer, den man kennt.« Er wandte sich wieder
seinem Kreuzworträtsel zu. »Er muß aber doch loyal sein«, sagte Avery, »weshalb
sonst hätte er einwilligen sollen?«
    »Sie haben gehört, was der
Direktor über die beiden Schwüre sagte. Der erste wird oft leichtfertig geleistet.«
    »Und der zweite?«
    »Oh, das
ist was anderes. Wenn es so weit ist, daß er ihn leisten muß, werden wir ihm
schon behilflich sein.«
    »Aber
weshalb hat er das erstemal zugestimmt?«
    »Ich
mißtraue Begründungen. Ich mißtraue Worten wie Loyalität oder Treue. Und vor
allem mißtraue ich Motiven«, erklärte Haldane. »Wir steuern einen Agenten,
damit ist das Rechnen erledigt. Sie haben doch Deutsch studiert, nicht wahr? Am Anfang
war die Tat.« Kurz vor ihrer Ankunft wagte Avery noch eine Frage.
»Weshalb hat man den Paß ablaufen lassen?« Haldane hatte eine besondere Art,
den Kopf auf die Seite zu neigen, wenn er angesprochen wurde. »Das Auswärtige
Amt pflegte uns immer eine Reihe von Paß-Nummern zuzuteilen, die wir für Einsätze
verwenden konnten. Diese Abmachung lief jeweils ein Jahr. Vor sechs Monaten
erklärte das Auswärtige Amt plötzlich, sie würden uns ohne Empfehlung des Rondells
keine mehr zuteilen. Anscheinend hat Leclerc unsere Ansprüche nicht genügend
hart vertreten, so daß ihn Control aus dem Rennen drängen konnte. Taylors Paß
war einer aus der alten Serie. Man hat die ganze Serie drei Tage vor seiner
Abreise für ungültig erklärt. Es war keine Zeit mehr, noch irgendwas dagegen
zu unternehmen. Vielleicht wäre es ja auch niemandem aufgefallen. Im Rondell
hat man sich sehr hinterhältig benommen.« Eine Pause. »In der Tat kann ich
nicht ganz verstehen, was Control nun eigentlich wirklich vorhat.«
    Sie nahmen
sich ein Taxi nach Nord-Oxford und stiegen an der Straßenecke vor ihrer Villa
aus. Avery betrachtete die Häuser, an denen sie in der Dämmerung auf dem Weg
zu ihrem eigenen Domizil vorbeigingen. Er erspähte grauhaarige Gestalten, die
sich hinter erleuchteten Fenstern bewegten, samtüberzogene Ohrensessel mit Spitzendeckchen,
chinesische Wandschirme, Notenständer und eine Bridgerunde, die still im
gelben Lampenlicht saß, wie verzauberte Höflinge in einem Schloß. Dies war eine
Welt, von deren Existenz er früher einmal gewußt hatte und der er sich fast
selbst einmal angehörig gefühlt hatte. Aber das war schon lange her.
    Sie
verbrachten den Abend damit, das Haus herzurichten. Haldane meinte, Leiser
solle das hintere Schlafzimmer bekommen, dessen Fenster auf den Garten blickte,
während sie selbst die Zimmer zur Straße nehmen würden. Er hatte einige
wissenschaftliche Bücher, eine Schreibmaschine und etliche eindrucksvolle
Akten vorausgeschickt, die er nun auspackte und im Eßzimmer auf dem Tisch
ausbreitete, damit die Haushälterin des Besitzers, die jeden Tag zum Aufräumen
kommen würde, ihre Neugier daran stillen könne. »Wir werden diesen Raum als
Arbeitszimmer bezeichnen«, sagte er. Im Salon stellte er das Tonbandgerät auf.
    Die
mitgebrachten Tonbänder verschloß er in einem Wandschrank, dessen Schlüssel er
mit peinlicher Sorgfalt an einem Schlüsselring befestigte. In der Eingangshalle
warteten noch weitere Gepäckstücke: ein Filmprojektor aus den Beständen der
Luftwaffe, eine Projektionsleinwand und ein grüner Leinenkoffer, der fest
versperrt und mit Lederecken besetzt war. Das Haus war geräumig und gut
erhalten. Die Möbel waren aus Mahagoni und hatten Messingbeschläge. Die Wände
waren bedeckt mit den Porträts einer unbekannten Familie,
Sepia-Federzeichnungen, Miniaturen, vom Alter vergilbten Fotografien. Auf
einem Wandbrett stand eine Schale mit getrockneten, starkriechenden Blumen, und
am Spiegel steckte ein Palmwedel. Von der Decke hingen schwere, aber unaufdringliche
Leuchter herab, in einer Ecke stand ein Bibeltisch, in einer anderen die Statue
eines kleinen und sehr häßlichen Cupido, der sein Gesicht ins Dunkel wandte.
Das ganze Haus atmete verhalten den Duft hohen Alters, in dem wie Weihrauch
eine höfliche, aber unnahbare Trauer mitschwang. Gegen Mitternacht waren sie
mit dem Auspacken fertig. Sie ließen sich im Salon nieder. Die Marmorplatte
über dem Kamin wurde von

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