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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Mit liebevoller Behutsamkeit setzte Fawn einen Pappbecher voll Tee, mit
einer Zitronenscheibe darin, auf Smileys Schreibtisch ab. Sein
Totenschädelgrinsen löste Guillams unterdrückte Wut aus: »Wenn Sie mit
Austeilen fertig sind, dann raus!« zischte er Fawn ins Ohr. Immer noch feixend
ging Fawn hinaus. »Was mag jetzt in Ko vorgehen?« fragte Smiley, immer noch an
das Telegrammformular gerichtet. Er hatte die Finger unterm Kinn verschränkt
wie ein Betender.
    »Geht der Arsch mit Grundeis«, erklärte Connie zuversichtlich. »Fleet
Street auf dem Kriegspfad, Frost tot, und er selber keinen Schritt weiter.«
    »Ja. Ja, er dürfte unsicher sein. >Kann er den Damm halten? Kann er
die undichten Stellen verstopfen? Wo sind überhaupt die undichten Stellen?< . . . Genau das wollten wir. Wir
haben es bekommen.« Er machte eine winzige Bewegung mit dem gesenkten Kopf in
Richtung auf Guillam. »Peter, würden Sie die Vettern bitten, sie möchten Tius Überwachung
verstärken. Aber nur statische Observierung, bitte sagen Sie ihnen das. Keine
Beschattung auf der Straße, nichts von dergleichen Unfug, das Wild darf nicht
verschreckt werden. Telefon, Post, nur diese einfachen Sachen. Doc, wann reiste
Tiu zum letztenmal aufs Festland?« Mißmutig nannte di Salis ein Datum.
    »Stellen Sie fest, welche Route er nahm und wo er sein Billett gekauft
hat. Für den Fall, daß er es wieder macht.«
    »Steht bereits in den Akten«, gab di Salis finster zurück, setzte ein
höchst unschönes Hohnlächeln auf, blickte gen Himmel und verzog Lippen und
Schultern.
    »Dann seien Sie doch so freundlich, es für mich noch eigens
herauszuschreiben«, erwiderte Smiley mit unerschütterlicher Langmut.
»Westerby«, fuhr er mit der gleichen tonlosen Stimme fort, und Guillam hatte
einen Moment lang das schwindelerregende Gefühl, Smiley leide an einer Art
Halluzination und glaube Jerry hier im Büro, damit er wie alle anderen seine
Befehle entgegennehme, »ziehe ich ab - das kann ich. Seine Zeitung ruft ihn
zurück, was spricht dagegen? Was dann? Ko wartet. Er lauscht. Er hört nichts.
Und er atmet auf.«
    »Und auftreten unsere Rauschgifthelden«, sagte Guillam mit einem Blick
auf den Kalender. »Sol Ecklands großer Tag.«
    »Oder ich ziehe ihn ab und ersetze ihn, und ein anderer Außenmann
übernimmt die Spur. Wäre er weniger gefährdet, als Westerby es jetzt ist?«
    »Klappt nie«, murmelte Connie. »Die Pferde wechseln. Niemals. Und Sie
wissen es. Instruktion, Training, andere Gangart, andere Verbindungen.
Niemals.«
    »Ich sehe gar nicht ein, wieso er gefährdet ist!« rief di Salis
schrill. Guillam fuhr zornig herum und machte Miene, ihm eine zu verpassen,
aber Smileys nächste Frage kam ihm zuvor. »Warum nicht, Doc?«
    »Wenn wir Ihre Hypothese übernehmen wollen - was ich nicht tue -, so
ist Ko kein Mann der Gewalt. Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, und seine
Maximen lauten Ansehen, Tüchtigkeit, Verdienstlichkeit und harte Arbeit. Ich
dulde nicht, daß man von ihm spricht, als wäre er eine Art Raubmörder.
Zugegeben, er hat seine Leute, und seine Leute sind vielleicht weniger nett als
er, wenn es zum Treffen kommt. So wie wir Whitehalls Leute sind. Das macht aus
Whitehall keine Schufte, möchte ich behaupten.« Um Gottes willen, Schluß damit, dachte Guillam.
»Westerby ist nicht Frost«, fuhr di Salis mit dem gleichen lehrhaften Näseln
fort. »Westerby ist kein ungetreuer Knecht.
    Westerby hat Kos Vertrauen nicht mißbraucht, auch nicht sein Geld, er
hat Kos Bruder nicht verraten. In Kos Augen repräsentiert Westerby eine große
Zeitung. Und Westerby ließ durchblicken - sowohl Frost wie Tiu gegenüber,
soviel ich weiß -, daß seine Zeitung über die betreffende Sache weit mehr wisse
als er selber. Ko kennt die Welt. Wenn er einen Journalisten beseitigt, ist
damit die Gefahr nicht gebannt. Im Gegenteil, er zieht sich die ganze Meute auf
den Hals.«
    »Was also bewegt ihn zur Zeit?«
    »Ungewißheit. Wie Connie richtig sagte. Er kann die Gefahr nicht
ermessen. Die Chinesen haben wenig Zugang zu Abstraktem und noch weniger zu
abstrakten Situationen. Er wäre froh, wenn die Gefahr vorüberginge, und wenn
sich nichts Konkretes ereignet, wird er annehmen, sie sei vorüber. Diese
Angewohnheit ist nicht auf das Abendland beschränkt. Ich habe nur Ihre
Hypothese ausgebaut.« Er stand auf. »Ich pflichte ihr nicht bei. Unter keinen
Umständen. Ich distanziere mich ausdrücklich von ihr.« Er stelzte hinaus. Auf Smileys
Nicken hin

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