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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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und hatte wieder den
Stift gezückt. »Wie geht das rechnerisch auf?«
    »Die meisten Gesellschaften übernehmen Charterflüge aus Vientiane.
Wartung, Piloten, Wertminderung, alles inbegriffen, außer Treibstoff.
Vielleicht wußten Sie das. Am besten ist es, wenn man sein eigenes Flugzeug
hat. Dann hat man beides. Man holt das Letzte aus dem Belagerungsgebiet heraus
und kann abhauen, wenn das Ende kommt. Halten Sie nach den Kindern Ausschau,
hon«, belehrte er das Mädchen und zog wieder an seiner Zigarette. »Solange die
Kinder um den Weg sind, ist alles in Ordnung. Wenn die Kinder verschwinden,
wird's mulmig. Bedeutet, daß sie sie versteckt haben. Immer nach den Kindern
Ausschau halten.«
    Das Mädchen Lorraine fummelte wieder an der Kamera herum.
    Sie waren zu einem rudimentären Checkpoint gekommen. Ein paar Posten
linsten in den Wagen, als sie durchfuhren, aber der Chauffeur verlangsamte
nicht einmal das Tempo. Dann kamen sie zu einer Gabelung, und der Fahrer hielt
an.
    »Den Fluß«, befahl Keller. »Sagen Sie ihm, er soll sich am Ufer halten.«
    Jerry sagte es ihm. Der Junge schien erstaunt: schien sogar drauf und
dran, einen Einwand zu machen, überlegte es sich aber anders. »Kinder in den
Dörfern«, sagte Keller, »Kinder an der Front. Kein Unterschied. Kinder sind
überall Wetterfahnen. Die Khmer-Soldaten nehmen ganz selbstverständlich ihre
Familien mit in den Krieg. Wenn der Vater stirbt, hat die Familie ohnehin
nichts mehr, also können sie ebensogut mit den Soldaten ziehen, wo es zu essen
gibt. Und noch was, hon, noch was: die Witwen müssen an Ort und Stelle sein, damit sie den Tod
des Ernährers bezeugen können. Das ist doch eine Sache von menschlichem
Interesse für Sie, nicht wahr, Westerby? Wenn sie es nicht bezeugen können,
wird der kommandierende Offizier es leugnen und sich den Sold des Mannes unter
den Nagel reißen. Bedienen Sie sich«, sagte er, als sie schrieb. »Aber glauben
Sie nicht, daß irgendwer es drucken wird. Dieser Krieg ist vorbei. Stimmt's,
Westerby?«
    » Finito«, bestätigte Jerry.
    Sie würde Spaß haben, dachte er. Wenn Lizzie hier wäre, würde sie
bestimmt etwas Lustiges sehen und darüber lachen. Irgendwo unter allen ihren
Fälschungen, vermutete er, mußte ein Original versteckt sein, und es war seine
feste Absicht, es aufzufinden. Der Fahrer hielt neben einer alten Frau an und
fragte sie etwas in Khmer, aber sie barg das Gesicht in den Händen und wandte
den Kopf ab.
    »Warum hat sie das getan, um Gottes willen?« rief das Mädchen ärgerlich. »Wir wollten ihr
nichts Böses. Herrje!«
    »Scheu«, sagte Keller mit tonloser Stimme. Hinter ihnen feuerte die
Artilleriesperre eine weitere Salve ab, und es war, als schlüge eine Tür zu und
versperrte ihnen den Rückweg. Sie kamen an einem wat vorüber und auf einen von Holzhäusern
umstandenen Marktplatz. Safrangelb gekleidete Mönche starrten sie an, aber die
Mädchen an den Marktständen nahmen keine Notiz von ihnen, und die kleinen
Kinder Spieker weiter mit den Zwerghühnern.
    »Wozu war vorhin der Checkpoint?« fragte das Mädchen, während sie
fotografierte. »Sind wir jetzt in einer Gefahrenzone?«
    »Kommt bald, hon, kommt bald. Jetzt halt die Klappe.« Vor ihnen konnte Jerry den Klang
automatischer Feuerwaffen hören, M 16 und AK 47 gemischt. Aus
den Bäumen raste ein Jeep auf sie zu und schwenkte in der letzten Sekunde so
jäh ab, daß er über die Wegfurchen rumpelte und stolperte. Im gleichen
Augenblick erlosch das Sonnenlicht. Bis jetzt hatten sie es als ihr gutes Recht
angesehen, ein flüssiges lebhaftes Licht, das die Regenschauer reingewaschen
hatten. Es war März, die Trockenzeit; und sie waren in Kambodscha, wo der
Krieg, wie ein Kricketmatch, nur bei ordentlichem Wetter stattfand. Aber jetzt
ballten sich schwarze Wolken, die Bäume schlossen sich ringsum wie im Winter,
und die Holzhütten wichen ins Dunkel. »Wie kleiden sich die Roten Khmer?«
fragte das Mädchen mit ruhigerer Stimme. »Haben sie Uniformen!«
    » Federn und Lendenschurz«, brüllte
Keller. »Manche sogar ohne Hinterteil.« Als er lachte, hörte Jerry, wie straff
gespannt seine Stimme war, und er sah die Hand zittern, als Keller an der
Zigarette zog. »Teufel, hon, sie sind angezogen wie Bauern, Herrgottnochmal. Sie haben einfach diese
schwarzen Pyjamas an.«
    .»Ist es immer so leer?«
    »Wechselt«, sagte Keller.
    »Und Ho-tschi-min-Sandalen«, warf Jerry zerstreut ein.
    Ein Paar grüner Wasservögel flog über dem Fahrweg auf. Das

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