Carre, John le
pflichtschuldigst.
Unbehaglich erinnerte Jerry sich, daß sie damals im Kongo Kameraden
gewesen waren, einander ihre Lieben und Schwächen anvertraut hatten. Um sich
auf dem durchfurchten Boden halten zu können, balancierte das Mädchen mit den
Armen.
Nicht die Kamera in Anschlag bringen, dachte Jerry, um Gottes
willen nicht. Auf diese Weise erwischt es die Fotografen immer.
»Immer weitergehen, hon«, sagte Keller scharf. »An gar nichts denken.
Gehen. Möchten Sie zurück, Westerby?«
Sie wichen einem kleinen Jungen aus, der im Staub still vor sich hin
mit Steinen spielte. Jerry überlegte, ob der Kleine schon geschütztaub sei. Er sah
sich um. Der Mercedes stand noch unter den Bäumen. Vor ihnen konnte er im
Gebüsch Männer in liegender Feuerposition ausmachen, mehr Männer, als er
erwartet hatte. Plötzlich wuchs der Lärm. Am jenseitigen Ufer explodierten
einige Bomben mitten im Feuer: die T 28 versuchten, die Flammen auszubreiten. Ein Querschläger klatschte in die
Uferböschung unter ihnen und schleuderte Schlamm und Staub hoch. Ein Bauer
radelte in heiterer Gelassenheit auf dem Fahrrad an ihnen vorbei ins Dorf,
durchquerte es und fuhr wieder hinaus, langsam vorbei an den Ruinen und
verschwand hinter den Bäumen auf der anderen Seite. Niemand schoß auf ihn,
niemand rief ihn an. Er kann einer von ihnen oder einer von uns sein, dachte
Jerry. Er ist gestern abend in die Stadt gefahren, hat eine Plastikbombe in ein
Kino geworfen, und jetzt kehrt er zu den Seinen zurück, »Herrje«, rief das
Mädchen lachend, »warum haben wir nicht an Fahrräder gedacht?«
Mit einem Krachen wie von herabfallenden Ziegeln klatschte eine
Maschinengewehrsalve rings um sie ein. Unter ihnen, in der Flußböschung,
verlief gottlob eine Reihe leerer Schützenlöcher, die in den Schlamm gegraben
waren. Jerry hatte sie bereits gesehen. Er packte das Mädchen und zog es
hinunter. Keller hatte sich schon hingeworfen. Als Jerry neben dem Mädchen lag,
empfand er einen tiefen Mangel an Interesse. Besser hier ein paar Kugeln, als
das, was Frosti abbekommen hatte. Die Geschosse warfen Dreckwände hoch und
pfiffen über die Straße. Sie blieben liegen und warteten, daß der Beschuß
aufhöre. Das Mädchen blickte erregt über den Fluß und lächelte. Sie war
blauäugig, flachshaarig und nordisch. Eine Granate landete hinter ihnen in der
Böschung, und zum zweitenmal zog Jerry das Mädchen zu Boden. Die Druckwelle
fegte über sie hin, und als sie vorüber war, schwebten Erdfedern herab wie von
einem Sühneopfer. Das Mädchen stand lächelnd auf. Wenn das Pentagon an
Zivilisation denkt, dachte Jerry, denkt es an dich. Im Fort hatte der Kampf
sich plötzlich verdichtet. Die Lastwagen waren verschwunden, eine dichte Wolke
hatte sich zusammengezogen, ohne Pause blitzten und krachten Granatwerfer,
leichtes Maschinengewehrfeuer forderte heraus und antwortete sich selber durch
forcierte Geschwindigkeit. Kellers narbiges Gesicht erschien bleich wie der
Tod über dem Rand seines Schützenlochs.
»Die Roten Khmer heizen ihnen ein«, schrie er. »Über dem Fluß, vorne,
und jetzt von der anderen Flanke. Wir hätten die andere Straße nehmen sollen!«
Herrje, dachte Jerry, als ihm die übrigen Erinnerungen zurückkamen, Keller
und ich haben auch einmal um ein Mädchen gekämpft. Er versuchte sich zu
erinnern, wer sie gewesen war und wer gewonnen hatte.
Sie warteten. Das Feuer erstarb. Sie gingen zurück zum Wagen und kamen
rechtzeitig zur Gabelung, um den abziehenden Konvoi zu treffen. Tote und
Verwundete lagen am Straßenrand, zwischen ihnen kauerten Frauen und fächelten
die betroffenen Gesichter mit Palmwedeln. Wieder stiegen sie aus. Flüchtlinge
zerrten Büffel und Karren und einander die Straße entlang und schrien die Schweine
und die Kinder an. Eine alte Frau kreischte beim Anblick der Kamera auf, weil
sie das Objektiv für einen Gewehrlauf hielt. Geräusche schwirrten durch die
Luft, die Jerry nicht lokalisieren konnte, ähnlich dem Klingeln von
Fahrradglocken und einem Wimmern; und Geräusche, die er identifizieren konnte,
so das trockene Schluchzen der Sterbenden und das Dröhnen näher kommenden
Granatfeuers. Keller lief neben einem Lastwagen her und versuchte einen
englischsprechenden Offizier zu finden; Jerry hastete neben Keller her und
brüllte die gleichen Fragen auf französisch.
»Ach hol's der Teufel«, sagte Keller plötzlich gelangweilt. »Fahren wir
heim.« Mit englischer Herrchenstimme näselte er »dieses Volk und dieser
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