Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
Straße den Windungen des Flusses.
    »Das heißt, wenn's unser Westerby noch schafft«, fügte Kellerais Nachtrag
hinzu.
    »Ach, ich glaube, ich bin soweit in Form«, sagte Jerry, und das Mädchen
lachte und schlug sich für den Moment auf seine Seite. »Die Roten Khmer haben
draußen am anderen Ufer neue Stellungen bezogen, honey«, erklärte Keller, vorwiegend an
das Mädchen gewandt. Jenseits des braunen, schnellen Wassers sah Jerry ein paar
T 28 herumstochern,
als suchten sie nach etwas zum Beschießen. Ein Feuer brannte, ein ziemlich
großes, und die Rauchsäule stieg kerzengerade in den Himmel wie ein gottgefälliges
Opfer.
    »Welche Rolle spielen die Überseechinesen?« fragte Jerry. »In Hongkong
hat kein Mensch von dieser Gegend gehört.«
    »Die Chinesen kontrollieren achtzig Prozent unseres Handels, wozu auch
die Fluggesellschaften gehören. Die alten oder neuen. Der Kambodschaner ist
faul, wissen Sie, hon? Der Kambodschaner begnügt sich mit seinem Profit aus der
amerikanischen Unterstützung. Der Chinese ist anders. Und wie, Sire. Chinese
arbeitet gern, Chinese läßt sein Geld gern rollen. Sie bestimmen unseren
Geldmarkt, unser Transportmonopol, unsere Inflationsrate, unsere
Belagerungswirtschaft. Der Krieg ist allmählich hundertprozentig von Hongkong
abhängig. He, Westerby, haben Sie noch die Frau, von der Sie mir erzählten, die
Niedliche mit den Augen?«
    »Ausgerückt«, sagte Jerry.
    »Schade, hat sich großartig angehört. Er hat eine großartige Frau
gehabt«, sagte Keller. »Und Sie?« fragte Jerry.
    Keller schüttelte den Kopf und lächelte das Mädchen an. »Was dagegen,
wenn ich rauche, hon?« fragte er munter. In Kellers zusammengeschweißter Pfote
war ein Loch, das aussah wie eigens gebohrt, damit man eine Zigarette
hineinstecken konnte, und der Rand war braun von Nikotin. Keller legte die gute
Hand wieder auf ihren Schenkel. Die Straße wurde zur Wagenspur und wies tiefe
Furchen auf, wo die Konvois darübergefahren waren. Sie kamen in einen kurzen
Baumtunnel, und in diesem Moment brach zu ihrer Rechten Granatfeuer aus wie ein
Gewitter, und die Bäume bogen sich wie Bäume in einem Taifun. »Toll«, schrie
das Mädchen. »Können wir ein bißchen langsamer fahren?« Und schon zerrte sie an
den Riemen ihrer Kamera. »Bedienen Sie sich. Mittelschwere Artillerie«, sagte
Keller. »Unsere«, fügteer als Scherz hinzu. Das Mädchen ließ das Fenster
herunter und schoß ihren Film ab. Das Sperrfeuer ging weiter, die Bäume
tanzten, aber die Bauern im Reisfeld hoben nicht einmal die Köpfe. Als die
Kanonade aufhörte, bimmelten die Glocken der Wasserbüffel wie ein Echo weiter.
Sie setzten ihre Fahrt fort. Am diesseitigen Flußufer hatten zwei Kinder ein
altes Rad, auf dem sie abwechselnd fuhren. Im Wasser tauchte ein Schwarm von
Knirpsen in eine Kanalisationsröhre und wieder heraus, ihre braunen Körper
glänzten. Das Mädchen fotografierte auch sie. »Sprechen Sie noch französisch,
Westerby? Ich und Westerby haben früher mal einiges zusammen im Kongo erlebt,
wissen Sie, honey«, erklärte er dem Mädchen. »Hab '6 gehört«, sagte sie bewandert.
    »Die-Insulaner werden gebildet.« Jerry hatte ihn nicht so gesprächig in
Erinnerung. »Sie werden kultiviert. Stimmt's, Westerby? Besonders die Lords,
stimmt's? Westerby ist so eine Art Lord.«
    »So sind wir, altes Haus, Gelehrte bis zum letzten Mann. Nicht wie ihr
Hinterwäldler.«
    »Dann sprechen Sie mit dem Fahrer, ja? Wir haben Anweisungen für ihn,
Sie besorgen das Sprechen. Er hat noch keine Zeit gehabt, englisch zu lernen.
Jetzt links.«
    » A gauche«, sagte Jerry.
    Der Fahrer war ein Junge, aber bereits so blasiert wie ein alter
Fremdenführer.
    Jerry sah im Spiegel, daß Kellers verbrannte Hand zitterte, wenn er an
der Zigarette zog. Er fragte sich, ob das immer so war. Sie kamen durch einige
Dörfer. Es war sehr still. Er dachte an Lizzie und die Krallenspuren an ihrem
Kinn. Er sehnte sich danach, etwas Einfaches mit ihr zu unternehmen, wie einen
Spaziergang durch englische Felder. Craw sagte, sie sei eine Vorstadtpflanze.
Es rührte ihn, daß sie von Pferden träumte. »Westerby?«
    »Ja, altes Haus?«
    »Diese Sache da mit Ihren Fingern. Daß Sie dauernd trommeln. Könnten
Sie's vielleicht lassen? Macht mich verrückt. Irgendwie bedrückend. Seit Jahren
ballern sie auf diese Gegend ein, hon«, sagte Keller mitteilsam. »Seit Jahren.«
Er stieß einen Schwall Zigarettenrauch aus.
    »Was diese Fluglinien betrifft«, warf Jerry ein

Weitere Kostenlose Bücher