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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Begräbnis. Eine Schubkarre war mit gekochten Langusten gefüllt, und ein
Hochzeitskuchen aus päte de foie
gras trug in Aspik die Aufschrift: »Maison Flaubert«. Vom
Plafond strömte Musik herab, darunter wurde sogar Konversation gemacht, wenn
auch nur das langweilige Bla-bla-bla der Superreichen. Der Laufsteg führte von
der Mitte des Raums bis zu einem bodentiefen Fenster, das den Blick zum Hafen
frei gab, aber der Nebel teilte die Aussicht in unregelmäßige Flecke auf. Die Klimaanlage
lief auf Hochtouren, so daß die Damen ohne zu ersticken ihre Nerze tragen
konnten. Die meisten Männer waren im Smoking, nur die jungen chinesischen
Playboys traten in Slacks auf, wie sie in New York gerade Mode waren, schwarzen
Hemden und Goldkettchen. Die britischen Taipans standen mit ihren Frauen in
einem Kreis und süffelten wie gelangweilte Offiziere bei einem Garnisonsfest.
Jerry spürte eine Hand auf seiner Schulter und fuhr herum, aber vor ihm stand
nur ein kleiner schwuler Chinese namens Graham, der für eines der lokalen
Klatschblättchen arbeitete. Jerry hatte ihm einmal mit einer Story ausgeholfen,
die er beim Comic nicht loswurde. Dem Laufsteg gegenüber waren Sesselreihen
hufeisenförmig aufgestellt. Lizzie saß in der ersten Reihe zwischen Mr. Arpego
und dessen Frau oder Mätresse. Jerry kannte sie aus Happy Valley. Sie sahen
aus, als hätten sie Lizzie für den Abend unter ihre Fittiche genommen. Die
Arpegos redeten mit ihr, aber sie schien kaum zuzuhören. Sie saß kerzengerade
da und sah wunderschön aus und hatte das Cape abgelegt, und von Jerrys Platz
aus gesehen hätte sie bis auf das Perlenkollier und die Perlohrringe
splitternackt sein können. Wenigstens ist sie noch ganz, dachte er. Nichts
kaputt, keine Cholera und keine Kugel im Kopf. Er entsann sich des goldenen
Flaums, den er ihren Rücker entlang hatte schimmern sehen, als er an jenem
ersten Abend neben ihr im Lift stand. Der schwule Graham saß neben Jerry, zwei
Plätze weiter hockte Phoebe Wayfarer. Jerry kannte sie nur flüchtig, winkte ihr
aber ausgiebig zu.
    »Super,
Pheeb, toll sehen Sie aus. Sollten da droben auf dem Laufsteg sein, altes Haus,
ein Stückchen Bein zeigen.« Er nahm an, sie sei ein bißchen blau, und
vielleicht nahm sie das auch von ihm an, obwohl er seit dem Flug nichts
getrunken hatte. Er nahm einen Block zur Hand und schrieb etwas darauf, es
würde ihn beruhigen, wenn er sich professionell gäbe. Immer mit der Ruhe. Nicht
das Wild erschrecken. Als er las, was er geschrieben hatte, sah er nur »Lizzie
Worthington«, sonst nichts. Auch Graham, der Chinese, las es und lachte.
    »Mein
neues Pseudonym«, sagte Jerry, und jetzt lachten sie beide so laut, daß die
Leute in der vordersten Reihe sich umdrehten, während die Lichter sich
verdunkelten. Aber Lizzie drehte sich nicht um, obwohl Jerry dachte, sie könnte
seine Stimme erkannt haben.
    Hinter
ihnen wurden die Türen geschlossen, und als es dunkel war, wäre Jerry am
liebsten in seinem weichen freundlichen Sessel eingeschlummert. Die
Sphärenmusik wich einem Dschungel-Beat, mit Jazzbesen und Becken, bis nur noch
ein einziger Leuchter über dem schwarzen Laufsteg flimmerte, als Gegenstück zu
den flackernden Lichtflecken, die vom Hafen durch das rückwärtige Fenster
hereinleuchteten. Verstärker in allen Winkeln ließen den Drumbeat in einem
langsamen Crescendo anschwellen. Es ging lange Zeit so weiter, nur Trommeln,
sehr gut gespielt, sehr eindringlich, bis nach und nach groteske menschliche
Schatten vor dem Hafenfenster sichtbar wurden. Die Trommeln schwiegen. Im
gespannten Schweigen wiegten sich zwei schwarze Mädchen Hüfte an Hüfte den
Laufsteg entlang, nur mit Juwelen bekleidet. Ihre Köpfe waren geschoren, und
sie trugen runde Elfenbeinohrringe und Brillantcolliers, wie die Eisenringe bei
Sklavinnen. Sie waren groß, schön und geschmeidig, und kamen völlig unerwartet.
Sekundenlang hielten sie die Zuschauer in einem unentrinnbaren erotischen Bann.
Die Trommeln erwachten wieder und steigerten sich, Scheinwerfer flitzten über
die Juwelen und die Glieder der Mädchen. Sie entwanden sich dem Dunstkreis des
Hafens und schritten mit dem Zorn versklavter Sinnlichkeit auf die Zuschauer
zu. Sie machten kehrt und gingen langsam zurück, ihre Hüften lockten und
versagten sich zugleich. Die Lichter flammten wieder auf, und nach einem
Ausbruch nervösen Beifalls folgten Lachen und Drinks. Alle redeten jetzt
zugleich, Jerry am lautesten: er sprach zu Miss Lizzie Worthington,

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