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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Leopardenfell bezogen. Sie kann
für den verdammten Wagen nicht genug tun. Sollte ein Kind kriegen, dachte er
wütend, sich einen Hund kaufen oder Mäuse züchten. Um ein Haar hätte er die
Kühlerhaube eingedrückt, aber eben nur um jenes bewußte Haar, das ihn öfter
zurückgehalten hatte, als er wahrhaben wollte. Wenn sie den Jaguar nicht
benutzt, dann schickt er ihr die Limousine, dachte er. Vielleicht sogar mit Tiu
als Bordschützen. Oder er kommt persönlich. Oder sie putzt sich nur fürs
abendliche Opferfest raus und geht überhaupt nicht weg. Er wünschte, es wäre
Sonntag. Craw hatte ihm einmal gesagt, daß Drake Ko die Sonntage im
Familienkreise verbringe und daß Lizzie sich den Tag allein vertreiben müsse.
Aber es war nicht Sonntag, und er hatte auch nicht den guten alten Craw an
seiner Seite, der ihm hätte sagen können, daß Ko geschäftlich verreist war, in
Bangkok oder in Timbuktu.
    Dankbar,
daß der Regen sich in Nebel verwandelte, fuhr Jerry zurück zur Auffahrt und
fand an der Einmündung einen schmalen Randstreifen, wo er den Wagen so dicht an
der Barriere abstellte, daß die übrigen Verkehrsteilnehmer sich eben noch
vorbeidrücken konnten, wenn auch schimpfend. Er schrammte die Barriere, aber
das war ihm egal. Von seinem Platz aus konnte er beobachten, wie die Leute den
Häuserblock unter der gestreiften Markise betraten und verließen, die Autos von
der Hauptstraße ab- oder in sie einbogen. Er empfand nicht das Bedürfnis, sich
in acht zu nehmen. Er zündete sich eine Zigarette an. Die Limousinen rauschten
in beiden Richtungen an ihm vorbei, aber Kos Wagen war nicht darunter.
Manchmal, wenn ein Wagen sich an ihm vorbeizwängte, verlangsamte der Fahrer und
hupte oder fluchte, aber Jerry nahm keine Notiz davon. Alle paar Sekunden warf
er einen Blick in die Spiegel, und einmal, als eine plumpe Gestalt, die Tiu
hätte sein können, verstohlen hinter ihm herangewatschelt kam, entsicherte er
sogar die Pistole in der Jackentasche, ehe er erkannte, daß der Mann weit
weniger muskulös war als Tiu. Treibt vermutlich Spielschulden bei den pac-pai-Chauf
teuren ein, dachte er, als die Gestalt an ihm vorbeiging. Er dachte daran, wie
er mit Luke zusammen im Happy Valley war. Er dachte überhaupt daran, wie er mit
Luke zusammen war. Er blickte noch immer in den Spiegel, als der rote Jaguar
hinter ihm aus der Parkplatzausfahrt auftauchte. Die Fahrerin war allein, das
Verdeck hochgeschlagen. Die eine Möglichkeit, an die er nicht gedacht hatte:
daß sie mit dem Lift direkt zum Parkplatz fahren und dort einsteigen könnte,
anstatt sich, wie damals, den Wagen vom Portier vor die Tür stellen zu lassen.
Als er hinter ihr herfuhr, warf er einen Blick nach oben und sah, daß das Licht
hinter ihren Fenstern noch immer brannte. War jemand in der Wohnung
zurückgeblieben? Oder wollte sie gleich wieder heimkommen? Dann dachte er, sei
bloß nicht überschlau, sie verschwendet einfach Strom.
    Als ich
zum letztenmal mit Luke sprach, sagte ich, er solle mir den Buckel
runterrutschen, dachte er, und als er zum letztenmal mit mir sprach, sagte er,
daß er mich Stubbsi gegenüber gedeckt habe. Sie fuhr jetzt bergab in Richtung
Stadt. Er hielt sich hinter ihr, und eine ganze Weile folgte ihm kein anderes
Fahrzeug, was ungewöhnlich war, aber diese Stunden waren überhaupt ungewöhnlich,
und der Sarratt-Mann in ihm starb schneller, als er folgen konnte. Sie peilte
den hellsten Teil der Stadt an. Er vermutete, daß er sie noch immer liebte,
wenngleich er gerade jetzt in der Stimmung war, jedem Menschen alles
Erdenkliche zuzutrauen. Er hielt sich dicht hinter ihr, denn er erinnerte sich
daran, daß sie selten in den Rückspiegel schaute. Und auch dann hätte sie in
der nebligen Dämmerung nur seine Scheinwerfer sehen kennen. Der Nebel hing in einzelnen Schwaden, und der Hafen
sah aus, als stünde er in Flammen, gegen deren ziehenden Rauch sich die
Strahlenfinger der Kranlichter wie Wasserschläuche richteten. In der Central
Street tauchte sie in eine Tiefgarage, er fuhr straks hinter ihr her und parkte
sechs Plätze entfernt, trotzdem sah sie ihn nicht. Sie blieb noch eine Weile im
Wagen sitzen, um ihr Make-up aufzufrischen, und er konnte sogar feststellen,
daß sie die Narben am Kinn überpuderte. Dann stieg sie aus und schloß den Wagen
umständlich ab, obwohl jedes Kind im Handumdrehen das Verdeck mit einer
Rasierklinge hätte aufschlitzen können. Sie trug etwas wie ein Seidencape und
ein langes Seidenkleid, und als sie auf

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